946.231

Bundesgesetz
über die Durchsetzung von internationalen Sanktionen

(Embargogesetz, EmbG)

vom 22. März 2002 (Stand am 1. Januar 2022)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,

gestützt auf die Artikel 54 Absatz 1, 122 Absatz 1 und 123 Absatz 1
der Bundesverfassung1,
nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 20. Dezember 20002,

beschliesst:

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen

Art. 1 Gegenstand

1 Der Bund kann Zwangsmassnahmen erlassen, um Sanktionen durchzusetzen, die von der Organisation der Vereinten Nationen, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa oder von den wichtigsten Handelspartnern der Schweiz beschlossen worden sind und die der Einhaltung des Völkerrechts, namentlich der Respektierung der Menschenrechte, dienen.

2 Vorbehalten bleiben Massnahmen des Bundesrates zur Wahrung der Interessen des Landes nach Artikel 184 Absatz 3 der Bundesverfassung.

3 Zwangsmassnahmen können namentlich:

a.
den Waren‑, Dienstleistungs‑, Zahlungs‑, Kapital- und Personenverkehr sowie den wissenschaftlichen, technologischen und kulturellen Austausch unmittelbar oder mittelbar beschränken;
b.
Verbote, Bewilligungs- und Meldepflichten sowie andere Einschränkungen von Rechten umfassen.
Art. 2 Zuständigkeit

1 Für den Erlass der Zwangsmassnahmen ist der Bundesrat zuständig. Er kann zur Unterstützung humanitärer Aktivitäten oder zur Wahrung schweizerischer Interessen Ausnahmen festlegen.

2 Insbesondere für die Lieferung von Lebensmitteln, Medikamenten und therapeu­tischen Mitteln, die humanitären Zwecken dienen, kann der Bundesrat Ausnahmen nach Absatz 1 festlegen.

3 Die Zwangsmassnahmen werden in Form von Verordnungen erlassen.

2. Abschnitt: Kontrolle

Art. 3 Auskunftspflicht

Wer von Massnahmen nach diesem Gesetz unmittelbar oder mittelbar betroffen ist, muss den vom Bundesrat bezeichneten Kontrollorganen die Auskünfte erteilen und die Unterlagen einreichen, die für eine umfassende Beurteilung oder Kontrolle erforderlich sind.

Art. 4 Befugnisse der Kontrollorgane

1 Die Kontrollorgane sind befugt, die Geschäftsräume der auskunftspflichtigen Personen während der üblichen Arbeitszeit ohne Voranmeldung zu betreten und zu besichtigen sowie die einschlägigen Unterlagen einzusehen. Sie stellen belastendes Material sicher.

2 Sie können die Polizei der Kantone und Gemeinden sowie die Untersuchungs-organe des Bundesamtes für Zoll und Grenzsicherheit beiziehen.3

3 Die Kontrollorgane sowie die beigezogenen Behörden sind zur Wahrung des Amts­geheimnisses verpflichtet und treffen in ihrem Bereich die Vorsichtsmass­nahmen, die zur Verhinderung von Wirtschaftsspionage erforderlich sind.

3 Fassung gemäss Ziff. I 39 der V vom 12. Juni 2020 über die Anpassung von Gesetzen infolge der Änderung der Bezeichnung der Eidgenössischen Zollverwaltung im Rahmen von deren Weiter­entwicklung, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2020 2743).

3. Abschnitt: Datenschutz und Zusammenarbeit von Behörden

Art. 5 Datenbearbeitung

1 Die zuständigen Behörden des Bundes dürfen Personendaten bearbeiten, soweit dies für den Vollzug dieses Gesetzes und der Verordnungen nach Artikel 2 Absatz 3 erforderlich ist.

2 Besonders schützenswerte Personendaten dürfen sie nur bearbeiten, wenn diese verwaltungs- oder strafrechtliche Verfolgungen und Sanktionen betreffen. Andere besonders schützenswerte Personendaten dürfen nur bearbeitet werden, wenn dies zur Behandlung des Einzelfalles unentbehrlich ist.

Art. 6 Amtshilfe in der Schweiz

Die zuständigen Behörden des Bundes sowie die Polizeiorgane der Kantone und Gemeinden können einander und den jeweiligen Aufsichtsbehörden Daten, ein-schliesslich besonders schützenswerter Personendaten, bekannt geben, soweit dies für den Vollzug dieses Gesetzes und der Verordnungen nach Artikel 2 Absatz 3 erforderlich ist.

Art. 7 Amts- und Rechtshilfe zwischen schweizerischen und ausländischen Behörden

1 Die für den Vollzug, die Kontrolle, die Deliktsverhütung oder die Strafverfolgung zuständigen Behörden des Bundes können mit den zuständigen ausländischen Behörden sowie mit internationalen Organisationen oder Gremien zusammenarbeiten und die Erhebungen koordinieren, soweit:

a.
dies zum Vollzug dieses Gesetzes und der Verordnungen nach Artikel 2 Absatz 3, entsprechender ausländischer Vorschriften oder solcher von internationalen Organisationen erforderlich ist; und
b.
die ausländischen Behörden, internationalen Organisationen oder Gremien an das Amtsgeheimnis oder an eine entsprechende Verschwiegenheitspflicht gebunden sind und in ihrem Bereich den Schutz vor Wirtschaftsspionage garantieren.

2 Sie können ausländische Behörden und internationale Organisationen oder Gre­mien namentlich um Herausgabe der erforderlichen Daten ersuchen. Zu deren Erlangung können sie ihnen Daten, einschliesslich besonders schützenswerter Per­­sonen­daten, bekannt geben, namentlich über:

a.
Beschaffenheit, Menge, Bestimmungs- und Verwendungsort, Verwendungs-zweck sowie Empfängerinnen und Empfänger von Gütern;
b.
Personen, die an der Herstellung, Lieferung oder Vermittlung von Gütern be­teiligt sind;
c.
die finanzielle Abwicklung des Geschäfts;
d.
gesperrte Konten und Vermögenswerte.

3 Die Bundesbehörden können die Daten nach Absatz 2 von sich aus oder auf Ersuchen des ausländischen Staates bekannt geben, wenn der betreffende Staat:

a.
Gegenrecht hält und die internationalen Sanktionen ebenfalls umsetzt;
b.
zusichert, dass die Daten nur für Zwecke nach diesem Gesetz bearbeitet werden; und
c.
zusichert, dass die Daten nur dann in einem Strafverfahren verwendet werden, wenn die Rechtshilfe in Strafsachen nicht wegen der Art der Tat ausgeschlossen wäre.

4 Die betroffene Verwaltungseinheit des Bundes entscheidet im Einvernehmen mit dem für Rechtshilfe zuständigen Bundesamt4, ob die Voraussetzungen für die Ver-wendung von Daten in einem Strafverfahren nach Absatz 3 Buchstabe c erfüllt sind.

5 Die Bundesbehörden können die Daten unter den Voraussetzungen von Absatz 3 auch internationalen Organisationen oder Gremien bekannt geben; sie können dabei auf das Erfordernis des Gegenrechts verzichten.

6 In Fällen von Verstössen gegen dieses Gesetz kann den ausländischen Behörden, internationalen Organisationen oder Gremien nach Absatz 1 Rechtshilfe geleistet werden. Solche Verstösse gelten nicht als währungs‑, handels- oder wirtschafts­politische Delikte im Sinne von Artikel 3 Absatz 3 des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 19815; dessen Verfahrensbestimmungen bleiben anwendbar.

4 Zurzeit Bundesamt für Justiz

5 SR 351.1

4. Abschnitt: Rechtsschutz

Art. 8

Das Verfahren für Beschwerden gegen Verfügungen nach diesem Gesetz richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege.

5. Abschnitt: Strafbestimmungen und Massnahmen6

6 Ab 1. Jan. 2007 sind die angedrohten Strafen und die Verjährungsfristen in Anwendung von Art. 333 Abs. 2–6 des Strafgesetzbuches (SR 311.0) in der Fassung des BG vom 13. Dez. 2002 (AS 2006 3459) zu interpretieren beziehungsweise umzurechnen.

Art. 9 Vergehen

1 Wer vorsätzlich gegen Vorschriften von Verordnungen nach Artikel 2 Absatz 3 verstösst, deren Verletzung für strafbar erklärt wird, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Busse bis zu 500 000 Franken bestraft.

2 In schweren Fällen ist die Strafe Gefängnis bis zu fünf Jahren. Mit der Freiheits-strafe kann eine Busse bis zu 1 Million Franken verbunden werden.

3 Wird die Tat fahrlässig begangen, so ist die Strafe Gefängnis bis zu drei Monaten oder Busse bis zu 100 000 Franken.

Art. 10 Übertretungen

1 Mit Haft oder mit Busse bis zu 100 000 Franken wird bestraft, wer vorsätzlich:

a.
die Auskünfte, die Herausgabe von Unterlagen oder den Zutritt zu Geschäftsräumen nach den Artikeln 3 und 4 Absatz 1 verweigert oder in diesem Zusammenhang falsche oder irreführende Angaben macht;
b.
auf andere Weise gegen dieses Gesetz oder gegen Vorschriften von Verord­nungen nach Artikel 2 Absatz 3, deren Übertretung für strafbar erklärt wird, oder gegen eine unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels erlassene Verfü­gung verstösst, ohne dass ein strafbares Verhalten nach einem andern Straftatbestand vorliegt.

2 Versuch und Gehilfenschaft sind strafbar.

3 Wird die Tat fahrlässig begangen, so ist die Strafe Busse bis zu 40 000 Franken.

4 Die Strafverfolgung verjährt in fünf Jahren. Die Verjährung kann durch Unter-brechung nicht um mehr als die Hälfte hinausgeschoben werden.

Art. 11 Zusammentreffen mehrerer Strafbestimmungen

1 Erfüllt ein Verstoss gegen dieses Gesetz zugleich den Tatbestand eines Verstosses gegen das Kriegsmaterialgesetz vom 13. Dezember 19967, das Güterkontrollgesetz vom 13. Dezember 19968 oder das Atomgesetz vom 23. Dezember 19599, so gelten ausschliesslich die Strafbestimmungen desjenigen Gesetzes, welche die schwerste Strafe vorsehen.

2 Erfüllt ein Verstoss gegen dieses Gesetz zugleich den Tatbestand eines Bannbruchs nach Artikel 76 des Zollgesetzes vom 1. Oktober 192510, so sind ausschliesslich dessen Strafbestimmungen anwendbar; Absatz 1 bleibt vorbehalten.

Art. 13 Einziehung von Gegenständen und Vermögenswerten

1 Die einer Zwangsmassnahme unterliegenden Gegenstände und Vermögenswerte werden ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person eingezogen, wenn die rechtmässige weitere Verwendung nicht gewährleistet ist.

2 Die eingezogenen Gegenstände und Vermögenswerte sowie ein allfälliger Verwer­tungserlös verfallen unter Vorbehalt des Bundesgesetzes vom 19. März 200412 über die Teilung eingezogener Vermögenswerte dem Bund.13

12 SR 312.4

13 Fassung gemäss Anhang Ziff. 7 des BG vom 19. März 2004 über die Teilung eingezogener Vermögenswerte, in Kraft seit 1. Aug. 2004 (AS 2004 3503).

Art. 14 Gerichtsbarkeit

1 Das Bundesgesetz vom 22. März 197414 über das Verwaltungsstrafrecht ist anwendbar.

2 Finden die Strafbestimmungen dieses Gesetzes Anwendung, so kann die Bundes-anwaltschaft auf Ersuchen der betroffenen Verwaltungseinheit ein Ermittlungs­verfahren eröffnen, wenn die besondere Bedeutung der Straftat dies rechtfertigt. Die Eröffnung des Ermittlungsverfahrens durch die Bundesanwaltschaft begründet Bundesgerichtsbarkeit.

6. Abschnitt: Schlussbestimmungen

Art. 15 Berichterstattung

Der Bundesrat orientiert die Bundesversammlung über die Anwendung dieses Gesetzes in seinen Berichten zur Aussenwirtschaftspolitik.

Art. 18 Referendum und Inkrafttreten

1 Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

2 Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.

Datum des Inkrafttretens: 1. Januar 200317

17 BRB vom 30. Okt. 2002