943.1

Bundesgesetz
über das Gewerbe der Reisenden

vom 23. März 2001 (Stand am 1. Juli 2018)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,

gestützt auf die Artikel 95 und 97 der Bundesverfassung1
sowie auf Ziffer II Absatz 2 Buchstabe a des Bundesbeschlusses vom
18. Dezember 19982 über eine neue Bundesverfassung,
nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 28. Juni 20003,

beschliesst:

1. Abschnitt: Gegenstand

Art. 1

1 Dieses Gesetz regelt das Gewerbe von Reisenden, die Konsumentinnen oder Konsumenten Waren oder Dienstleistungen anbieten.

2 Dieses Gesetz:

a.
gewährleistet, dass die Reisenden ihr Gewerbe im ganzen Gebiet der Schweiz ausüben können;
b.
legt zum Schutze des Publikums die Mindestanforderungen für die Ausübung des Reisendengewerbes fest.

3 Sammlungen mit gemeinnützigem oder wohltätigem Zweck und freiwillige öffentliche Versteigerungen unterstehen kantonalem Recht. Vorbehalten sind die Bestimmungen des Zivilgesetzbuches4 über die Sammel­vermögen.5

4 SR 210

5 Zweiter Satz eingefügt durch Anhang Ziff. 35 des BG vom 19. Dez. 2008 (Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2013 (AS 2011 725; BBl 2006 7001).

2. Abschnitt: Bewilligung

Art. 2 Bewilligungspflicht

1 Eine Bewilligung der zuständigen kantonalen Behörde braucht, wer gewerbsmäs­sig:

a.
Konsumentinnen oder Konsumenten Waren zur Bestellung oder zum Kauf anbietet, sei es im Umherziehen, durch das ungerufene Aufsuchen privater Haushalte oder durch den Betrieb eines befristeten Wanderlagers im Freien, in einem Lokal oder von einem Fahrzeug aus;
b.
Konsumentinnen oder Konsumenten Dienstleistungen jeglicher Art anbietet, sei es im Umherziehen oder durch das ungerufene Aufsuchen privater Haushalte;
c.
ein Schaustellergewerbe oder einen Zirkus betreibt.

2 Der Kanton bestimmt die zuständige Behörde.

Art. 3 Ausnahmen von der Bewilligungspflicht

1 Keine Bewilligung braucht, wer:

a.
seine Waren oder Dienstleistungen ausserhalb ständiger Verkaufsräumlichkei­ten an einer von der zuständigen Behörde angesetzten, zeitlich und örtlich begrenzten öffentlichen Veranstaltung anbietet (Markt);
b.
an Ausstellungen oder Messen Waren oder Dienstleistungen zur Bestellung oder zum Kauf anbietet;
c.
eine Tätigkeit ausübt, für die er oder die Person, für welche er handelt, bereits eine behördliche Bewilligung erhalten hat.

2 Der Bundesrat kann den Betrieb eines befristeten Wanderlagers im Freien mit Waren wie selbst erzeugten Landwirtschaftsprodukten oder Zeitungen von der Bewilligungspflicht ausnehmen.

Art. 4 Bewilligungsvoraussetzungen für Reisende

1 Anrecht auf eine Bewilligung hat jedermann, es sei denn, er ist innerhalb der letzten zwei Jahre vor Einreichung des Bewilligungsgesuches wegen eines Vergehens oder Verbrechens verurteilt worden und die Ausübung des Reisendengewerbes birgt eine Wiederholungsgefahr in sich. Bei einer vollzogenen Freiheitsstrafe wird die Frist vom Zeitpunkt der Entlassung an gerechnet.

2 Zusammen mit dem Bewilligungsgesuch sind folgende Dokumente einzureichen:

a.
der Handelsregisterauszug des Unternehmens, für das die gesuchstellende Person tätig ist, oder ein Identitätsausweis, sofern die gesuchstellende Person selbst oder das Unternehmen, für das sie tätig ist, nicht der Eintragungspflicht ins Handelsregister untersteht;
b.
der Strafregisterauszug der zuständigen Bundesstelle für in der Schweiz ansässige beziehungsweise eine gleichwertige Urkunde, Bescheinigung oder amtliche Beglaubigung für im Ausland ansässige gesuchstellende Personen;
c.
der Wohnsitznachweis;
d.6
die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters oder der gesetzlichen Vertre­terin, sofern die gesuchstellende Person minderjährig ist oder unter umfas­sen­der Beistandschaft steht;
e.7
gegebenenfalls die schriftliche Einwilligung des Eigentümers oder der Eigentümerin des Grundstücks, auf dem die gesuchstellende Person ihr Fahrzeug für die Nacht abstellen möchte.

3 Die Altersgrenze für jugendliche Reisende richtet sich nach Artikel 29 ff. des Arbeitsgesetzes vom 13. März 19648.

3bis Die Bewilligung nach Absatz 1 kann verweigert oder entzogen werden, wenn die gesuchstellende Person die öffentliche Ordnung gestört hat, namentlich indem sie unrechtmässig private oder öffentliche Grundstücke besetzt hat.9

4 Der Bundesrat regelt die Einzelheiten.

6 Fassung gemäss Anhang Ziff. 35 des BG vom 19. Dez. 2008 (Erwachsenenschutz, Per­sonenrecht und Kindesrecht), in Kraft seit 1. Jan. 2013 (AS 2011 725; BBl 2006 7001).

7 Eingefügt durch Anhang Ziff. 3 des BG vom 16. Dez. 2016 (Steuerung der Zuwanderung und Vollzugsverbesserungen bei den Freizügigkeitsabkommen), in Kraft seit 1. Juli 2018 (AS 2018 733; BBl 2016 3007).

8 SR 822.11

9 Eingefügt durch Anhang Ziff. 3 des BG vom 16. Dez. 2016 (Steuerung der Zuwanderung und Vollzugsverbesserungen bei den Freizügigkeitsabkommen), in Kraft seit 1. Juli 2018 (AS 2018 733; BBl 2016 3007).

Art. 5 Bewilligungsvoraussetzungen für Schausteller und Zirkusse

1 Unternehmen des Schausteller- und Zirkusgewerbes wird die Bewilligung erteilt, wenn:

a.
sie nachweisen, dass sie eine ausreichende Haftpflichtversicherung abgeschlossen haben; und
b.
die Sicherheit der von ihnen betriebenen Anlagen gewährleistet ist.

2 Zusammen mit dem Bewilligungsgesuch sind folgende Dokumente einzureichen:

a.
der Handelsregisterauszug des Unternehmens, für das die gesuchstellende Person tätig ist, oder ein Identitätsausweis, sofern die gesuchstellende Person selbst oder das Unternehmen, für das sie tätig ist, nicht der Eintragungspflicht ins Handelsregister untersteht;
b.
der Nachweis einer abgeschlossenen und ausreichenden Haftpflichtversicherung; und
c.
der Nachweis der Sicherheit.

3 Der Bundesrat regelt die Einzelheiten, namentlich die sachlichen und zeitlichen Anforderungen an die Sicherheit.

Art. 7 Erteilung der Bewilligung

1 Die zuständige kantonale Behörde erteilt die Bewilligung, wenn die Voraussetzungen nach Artikel 4 oder 5 erfüllt sind. Die Bewilligung wird in der Form einer Ausweiskarte erteilt; ausgenommen davon ist die Bewilligung für das Schausteller- und Zirkusgewerbe.

2 Kommt eine Verweigerung nach Artikel 4 Absatz 1 in Frage, so holt die zuständige kantonale Behörde vorgängig bei der vom Bundesrat bezeichneten Bundesbehörde einen Vorbescheid ein. Die Bundesbehörde kann zur Entscheidfindung Einblick in die Strafakten der gesuchstellenden Person nehmen.

Art. 8 Abgabe von Ausweiskarten durch Unternehmen und Branchenverbände

1 Die zuständige kantonale Behörde ermächtigt ein Unternehmen, seinen Mitarbeitenden die Ausweiskarte abzugeben, wenn das Unternehmen Gewähr dafür bietet, dass seine Mitarbeitenden die Voraussetzungen nach diesem Gesetz erfüllen. Unter den gleichen Voraussetzungen ermächtigt die zuständige kantonale Behörde einen Branchenverband, seinen Mitgliedern die Ausweiskarte abzugeben. Ist das Mitglied des Branchenverbandes kein Einzelkaufmann, so werden die Ausweise direkt den Personen abgegeben, die für das Mitglied tätig sind.

2 Das Unternehmen oder der Branchenverband meldet der zuständigen kantonalen Behörde die Mitarbeitenden beziehungsweise die Mitglieder oder die für diese tätigen Personen, die eine Ausweiskarte erhalten. Eine Kopie des Strafregisterauszuges der Reisenden ist beizulegen. Die zuständige kantonale Behörde prüft stichprobenweise, ob die ermächtigten Unternehmen und Branchenverbände die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen.

3 Kommt eine Verweigerung nach Artikel 4 Absatz 1 in Frage, so leitet das Unternehmen oder der Branchenverband das Gesuch an die zuständige kantonale Behörde weiter. Diese holt den Vorbescheid nach Artikel 7 Absatz 2 ein und entscheidet.

Art. 9 Wirksamkeit und Geltungsdauer der Bewilligung

1 Wer die Bewilligung einer zuständigen kantonalen Behörde hat, kann das Reisendengewerbe auf dem ganzen Gebiet der Schweiz ausüben. Das Gleiche gilt für Personen mit einer Ausweiskarte eines Unternehmens oder eines Branchenverbandes, das beziehungsweise der zur Abgabe der Ausweiskarte berechtigt ist.

2 Die Kompetenz der Kantone zur Überprüfung der Sicherheit beim Aufstellen und beim Betrieb der Anlagen von Unternehmen des Schaustell- und Zirkusgewerbes wird durch die Bewilligung nicht eingeschränkt.

3 Die Bewilligung ist persönlich und unübertragbar. Sie gilt fünf Jahre lang. Die Bewilligung für das Schausteller- oder Zirkusgewerbe ist ein Jahr lang gültig. Erneuerungen erfolgen nach einem vereinfachten Verfahren.

4 Ausländischen Personen mit Aufenthalt, Wohnsitz oder Sitz im Ausland kann eine Bewilligung mit kürzerer Gültigkeitsdauer abgegeben werden.

5 Der Bundesrat erlässt die näheren Vorschriften über die Erteilung und Erneuerung der Bewilligung sowie über die Abgabe der Ausweiskarte.

Art. 10 Entzug der Bewilligung

1 Die zuständige kantonale Behörde entzieht die Bewilligung, wenn:

a.
die Voraussetzungen für die Bewilligungserteilung nicht mehr erfüllt sind;
b.
keine Gewähr für eine ordnungsgemässe Ausübung des Reisendengewerbes mehr geboten ist.

2 Die zuständige kantonale Behörde kann bei der in Artikel 7 Absatz 2 vorgesehenen Bundesbehörde einen Vorbescheid einholen; diese Bestimmung ist sinngemäss anwendbar.

3 Ausweiskarten, die von einem Unternehmen oder einem Branchenverband abgegeben wurden, werden auch von diesen entzogen.

4 Einem Unternehmen oder einem Branchenverband wird die Ermächtigung zur Abgabe der Ausweiskarten entzogen, wenn sie die Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen nicht mehr gewährleisten.

Art. 11 Ausgeschlossene Waren und Dienstleistungen

1 Der Vertrieb von alkoholhaltigen Getränken durch Reisende ist verboten. Erlaubt sind jedoch die Bestellungsaufnahme für vergorene Getränke sowie die Bestellungsaufnahme und der Verkauf vergorener Getränke auf dem Markt (Art. 3 Abs. 1 Bst. a). Die Bestimmungen des Alkoholgesetzes vom 21. Juni 193210 bleiben vorbehalten.

2 Der Bundesrat kann aus polizeilichen Gründen den Vertrieb weiterer Waren und Dienstleistungen durch das Reisendengewerbe einschränken oder ausschliessen.

3 Vorbehalten bleiben die bundesrechtlichen Bestimmungen, die das Anbieten von bestimmten Waren und Dienstleistungen durch Reisende untersagen, beschränken oder von einer besonderen Bewilligung abhängig machen.

3. Abschnitt: Gebühren

Art. 12

1 Die Kantone erheben für die Erteilung, die Erneuerung und den Entzug der Bewilligung eine Gebühr.

2 Der Bundesrat regelt die Höhe der Gebühr.

4. Abschnitt: Datenschutz

Art. 13

1 Die zuständige kantonale Behörde bearbeitet die zur Erteilung, zur Erneuerung und zum Entzug der Bewilligung notwendigen Personendaten. Nur sie ist zum Zugriff auf diese Daten berechtigt; vorbehalten bleibt die Zugriffsberechtigung der zuständigen Bundesbehörde im Rahmen ihrer Aufsichtsfunktion.

2 Absatz 1 erster Satz gilt sinngemäss auch für Branchenverbände und Unter­nehmen.

3 Die zuständige kantonale Behörde kann Dritten, die ein berechtigtes Interesse nachweisen, bekannt geben, ob eine das Reisendengewerbe ausübende Person eine Bewilligung hat.

4 Die zuständige Bundesbehörde bearbeitet die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Personendaten, namentlich das Gesuch, den Strafregisterauszug sowie allfällige Strafakten der gesuchstellenden Person.

5 Der Bundesrat regelt den Betrieb des Informationssystems, die Kategorien der zu erfassenden Daten, die Aufbewahrungsdauer und die Datensicherheit.

5. Abschnitt: Strafbestimmungen

Art. 14 Übertretungen

1 Mit Busse bis zu 20 000 Franken wird bestraft, wer vorsätzlich:11

a.
unvollständige, unrichtige oder irreführende Angaben macht, um in den Besitz einer Bewilligung zu gelangen;
b.
das Reisendengewerbe ohne Bewilligung ausübt;
c.
Ausweiskarten abgibt, ohne dazu ermächtigt zu sein;
d.
seinen Mitarbeitenden, Mitgliedern oder den für diese tätigen Personen die Ausweiskarte abgibt, ohne dass diese die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen;
e.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, deren Vertrieb im Reisendengewerbe gegen Einschränkungen oder Verbote nach Artikel 11 Absatz 1 oder 2 verstösst;
f.
die Bewilligung bei der Ausübung des Reisendengewerbes nicht auf sich trägt.

2 Handelt die Täterin oder der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Busse bis zu 5000 Franken.

11 Fassung gemäss Art. 333 des Strafgesetzbuches (SR 311.0) in der Fassung des BG vom 13. Dez. 2002, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 3459; BBl 1999 1979).

6. Abschnitt: Schlussbestimmungen

Art. 17 Vollzug

1 Die Kantone vollziehen dieses Gesetz, soweit es nicht den Bund als zuständig erklärt.

2 Der Bundesrat beaufsichtigt den Vollzug des Gesetzes durch die Kantone.

Art. 21 Übergangsbestimmungen

1 Ausweiskarten und Wandergewerbebewilligungen, die auf Grund des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 193015 über die Handelsreisenden oder auf Grund bisherigen kantonalen Rechts ausgestellt worden sind, bleiben bis zu ihrem Verfall gültig.

2 Der Bundesrat regelt die sachlichen und zeitlichen Anforderungen an den Nachweis der Sicherheit von Anlagen im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b, die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits in Betrieb sind.

15 [BS 10 219; AS 2000 2355 Anhang Ziff. 26]

Art. 22 Referendum und Inkrafttreten

1 Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

2 Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.

Datum des Inkrafttretens: 1. Januar 200316

16 BRB vom 4. Sept. 2002