351.6

Bundesgesetz
über die Zusammenarbeit
mit dem Internationalen Strafgerichtshof

(ZISG)

vom 22. Juni 2001 (Stand am 1. März 2019)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,

gestützt auf Artikel 123 Absatz 1 der Bundesverfassung1,
nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 15. November 20002,

beschliesst:

1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen

Art. 1 Gegenstand

1 Dieses Gesetz regelt die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof (Gerichtshof), der durch das Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 19983 (Statut) geschaffen worden ist.

2 Es regelt insbesondere:

a.
die Überstellung der vom Gerichtshof verfolgten oder verurteilten Personen (3. Kapitel);
b.
die anderen Formen der Zusammenarbeit (4. Kapitel);
c.
die Vollstreckung der Sanktionen des Gerichtshofs (5. Kapitel).
Art. 2a5 Schutz von Personendaten

Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, richtet sich die Bearbeitung von Personendaten nach den Artikeln 11b–11d und 11f–11h des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 19816.

5 Eingefügt durch Ziff. II 5 des BG vom 28. Sept. 2018 über die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung, in Kraft seit 1. März 2019 (AS 2019 625; BBl 2017 6941).

6 SR 351.1

2. Kapitel: Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof

1. Abschnitt: Grundsätze der Zusammenarbeit

Art. 3 Zentralstelle

1 Das Bundesamt für Justiz führt eine Zentralstelle für die Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof.

2 Die Zentralstelle hat insbesondere folgende Aufgaben:

a.
Sie nimmt die Ersuchen des Gerichtshofs entgegen.
b.
Sie entscheidet über die Zulässigkeit der Zusammenarbeit, über deren Modali­täten und gegebenenfalls über die Anfechtung der Zuständigkeit des Gerichtshofs.
c.
Sie ordnet die notwendigen Massnahmen, deren Umfang sowie die Art der Erledigung des Ersuchens an und bestimmt, welche eidgenössische Behörde oder welcher Kanton für den Vollzug zuständig ist.
d.
Sie ernennt, soweit erforderlich, einen amtlichen Rechtsbeistand.
e.
Sie überstellt dem Gerichtshof verfolgte Personen und übermittelt ihm die Er­gebnisse aus der Erledigung des Ersuchens.
f.
Sie leitet ein Ersuchen des Gerichtshofs um Übernahme der Strafverfolgung nach Artikel 70 Absatz 4 Buchstabe b des Statuts7 an die zuständige Behörde weiter.
g.
Sie entscheidet über Ersuchen des Gerichtshofs um Übernahme der Strafvollstreckung.
h.
Sie vollstreckt Geldstrafen.
Art. 4 Konsultationen

Die Zentralstelle führt Konsultationen im Sinne von Artikel 97 des Statuts8 insbesondere dann durch, wenn die Erledigung des Ersuchens:

a.
einem bestehenden, allgemein gültigen wesentlichen Rechtsgrundsatz ent­gegenstünde (Art. 93 Abs. 3 des Statuts);
b.
die nationale Sicherheit tangieren würde (Art. 72 und 93 Abs. 4 des Statuts);
c.
laufende Ermittlungen oder eine laufende Strafverfolgung in einer anderen Sache gefährden würde (Art. 94 Abs. 1 des Statuts);
d.
die Staatenimmunität oder die diplomatische Immunität verletzen könnte (Art. 98 in Verbindung mit Art. 27 des Statuts).
Art. 5 Ausführende Behörden

1 Die für den Vollzug bestimmten kantonalen und eidgenössischen Behörden voll­ziehen die von der Zentralstelle angeordneten Massnahmen beförderlich und ohne eigene materielle Verfahrensschritte.

2 Gegen Vollzugshandlungen der ausführenden Behörden kann kein Rechtsmittel ergriffen werden.

Art. 6 Immunitätsfragen

1 Der Bundesrat entscheidet auf Antrag des Eidgenössischen Justiz- und Polizei­depar­tements (Departement) über Immunitätsfragen im Sinne von Artikel 98 in Verbin­dung mit Artikel 27 des Statuts9, die sich bei der Erledigung eines Ersuchens ergeben.

2 Das Departement kann in Fällen nach Absatz 1 die Festnahme oder andere vor­sorg­liche Massnahmen anordnen.

2. Abschnitt: Zuständigkeit des Gerichtshofs

Art. 7 Zuständigkeitsabgrenzung

1 Beansprucht der Gerichtshof die Zuständigkeit für ein Verfahren, so kann die Zent­­ralstelle, im Einvernehmen mit der im schweizerischen Verfahren zuständigen Behörde, die schweizerische Zuständigkeit im Sinne von Artikel 18 des Statuts10 geltend machen oder, sofern notwendig, die Zuständigkeit des Gerichtshofs nach Artikel 19 des Statuts anfechten.

2 Ficht die Zentralstelle die Zuständigkeit des Gerichtshofs nicht an oder gelangt die­ser im Rahmen seiner Prüfung zum Ergebnis, dass seine Zuständigkeit vorgeht, so werden sämtliche Verfahrensunterlagen dem Gerichtshof übergeben. Die zustän­dige schweizerische Behörde sistiert ihr Verfahren.

3 Gegen den Entscheid über eine Anfechtung kann kein Rechtsmittel ergriffen werden.

Art. 8 Anzeige und spontane Übermittlung von Beweismitteln und Informationen

1 Die Zentralstelle kann dem Gerichtshof Beweismittel und Informationen, die eine schweizerische Strafverfolgungsbehörde für die eigene Strafuntersuchung erhoben hat, unaufgefordert übermitteln, wenn dank der Übermittlung ein Strafverfahren eingeleitet oder eine hängige Strafuntersuchung erleichtert werden kann.

2 Gegen die Übermittlung kann kein Rechtsmittel ergriffen werden.

Art. 9 Unterbreitung einer Situation

1 Der Bundesrat entscheidet, ob im Sinne von Artikel 14 des Statuts11 eine Situation dem Gerichtshof unterbreitet werden soll.

2 Die Zentralstelle übermittelt das entsprechende Ersuchen dem Gerichtshof.

3. Abschnitt: Verkehr mit dem Gerichtshof

Art. 10 Form und Übermittlung von Ersuchen des Gerichtshofs

1 Ersuchen des Gerichtshofs bedürfen der Schriftform. Die Zentralstelle kann Ersu­chen unmittelbar von den Organen des Gerichtshofs entgegennehmen.

2 Ersuchen und dazugehörige Unterlagen sind in deutscher, französischer oder italie­nischer Sprache oder mit Übersetzung in eine dieser Sprachen einzureichen; Über­set­zungen müssen amtlich als richtig bescheinigt sein.

3 Für vorsorgliche Massnahmen, Fahndungen, Festnahmen oder in anderen dringen­den Fällen kann für ein Ersuchen, sofern dieses später auf dem ordentlichen Weg bestätigt wird:

a.
die Vermittlung der Internationalen Kriminal-Polizeilichen Organisation (IKPO-Interpol) in Anspruch genommen werden; oder
b.
ein Medium verwendet werden, das in der Lage ist, eine schriftliche Aufzeich­nung zu hinterlassen.

4 Die Zentralstelle teilt dem Gerichtshof die Unzulässigkeit oder Ablehnung eines Ersuchens umgehend mit und begründet sie. Vor einer definitiven Ablehnung kon­sultiert sie den Gerichtshof.

Art. 11 Schweizerische Ersuchen

1 Kantonale oder eidgenössische Strafverfolgungsbehörden können den Gerichtshof um Zusammenarbeit in Fällen von schweren Verbrechen ersuchen. Die Zentralstelle leitet solche Ersuchen an den Gerichtshof weiter.

2 Die Unterlagen sind in französischer oder englischer Sprache oder mit einer Über­setzung in eine dieser Sprachen einzureichen. Im Übrigen gelten für die schweizeri­schen Ersuchen die Anforderungen an die Ersuchen des Gerichtshofs sinngemäss.

3 Bedingungen, die der Gerichtshof an die Erledigung des Ersuchens knüpft, sind von den schweizerischen Behörden zu beachten.

Art. 12 Kosten

1 Die Ersuchen des Gerichtshofs werden in der Regel unentgeltlich erledigt. Ausge­nommen sind:

a.
Kosten im Zusammenhang mit den Reisen und der Sicherheit von Zeugen und Sachverständigen oder der zeitweiligen Übergabe inhaftierter Personen nach Artikel 93 des Statuts12;
b.
Übersetzungs-, Dolmetsch- und Transkriptionskosten;
c.
Reisekosten und Taggelder für die Richter, den Ankläger, die Stellvertreten­den Ankläger, den Kanzler, den Stellvertretenden Kanzler und das Personal der Organe des Gerichtshofs;
d.
Kosten von Sachverständigengutachten oder -berichten, die der Gerichtshof an­gefordert hat;
e.
Kosten im Zusammenhang mit der Beförderung einer Person, die dem Gerichtshof überstellt wird;
f.
nach Konsultationen alle aussergewöhnlichen Kosten, die sich aus der Erledi­gung eines Ersuchens ergeben können.

2 Die Behörden des Bundes und der Kantone berechnen einander weder Gebühren noch Entschädigungen für den Arbeitsaufwand zur Erledigung der Ersuchen des Gerichtshofs.

3 Kosten, die mit einer von der Zentralstelle angeordneten Haft verbunden sind, sowie gegebenenfalls Kosten des amtlichen Rechtsbeistands gehen zu Lasten des Bundes. Dabei gelten die Ansätze des Gerichtshofs für die Entschädigung an den Gaststaat (Art. 3 Abs. 1 des Statuts) als Bemessungsgrundlage.

4. Abschnitt: Weitere Bestimmungen

Art. 13 Durchbeförderung

1 Auf Ersuchen des Gerichtshofs kann die Zentralstelle, ohne die inhaftierte Person an­zuhören, deren Durchbeförderung und die dafür erforderlichen Massnahmen bewil­ligen.

2 Keine Bewilligung ist erforderlich, wenn die inhaftierte Person mit einem Luft­fahrzeug ohne Zwischenlandung über schweizerisches Gebiet befördert werden soll.

3 Im Falle einer unvorhergesehenen Landung ist die durchzubefördernde Person fest­zunehmen. Die Zentralstelle fordert den Gerichtshof umgehend auf, ein Ersu­chen um Durchbeförderung zu stellen. Trifft das Ersuchen nicht innert 96 Stunden seit der Festnahme ein, so ist die Person freizulassen. Trifft das Ersuchen später doch noch ein, so kann die Person erneut festgenommen und ihre Durchbeförderung bewilligt werden.

4 Gegen die Bewilligung der Durchbeförderung kann kein Rechtsmittel ergriffen werden.

Art. 14 Konkurrierende Ersuchen

1 Erhält die Schweiz vom Gerichtshof ein Überstellungsersuchen und von einem anderen Staat ein Auslieferungsersuchen betreffend dieselbe Person, so entscheidet die Zentralstelle nach Artikel 90 des Statuts13.

2 Erhält die Schweiz vom Gerichtshof und von einem anderen Staat konkurrierende Ersuchen zu einem anderen Zweck als zur Überstellung oder Auslieferung, so ent­scheidet die Zentralstelle nach Artikel 93 Absatz 9 des Statuts.

3 Hat die Zentralstelle dem Ersuchen des Staates den Vorzug gewährt, wird dieses in der Folge aber abgelehnt, so teilt sie dies dem Gerichtshof unverzüglich mit.

Art. 15 Entschädigung

1 Die Artikel 429 und 431 der Strafprozessordnung vom 5. Oktober 200714 (StPO) gelten sinngemäss für Verfahren, die auf Ersuchen des Gerichtshofs gegen die verfolgte Person nach diesem Gesetz in der Schweiz durchgeführt worden sind.15

2 Die Entschädigung kann herabgesetzt oder verweigert werden, wenn die verfolgte Per­son die Untersuchung oder die Haft schuldhaft verursacht oder das Verfahren mut­willig erschwert oder verlängert hat.

3 Die Entschädigung für die in der Schweiz erlittene Überstellungshaft kann auch he­rabgesetzt werden, wenn der Gerichtshof:

a.
das Festnahmeersuchen zum Zweck der Überstellung zurückzieht; oder
b.
das Überstellungsersuchen mit den dazugehörigen Unterlagen nicht frist­ge­recht einreicht.

4 Die Entschädigung wird verweigert, soweit der Gerichtshof eine solche nach Artikel 85 des Statuts16 zugesprochen oder abgelehnt hat.

14 SR 312.0

15 Fassung gemäss Anhang 1 Ziff. II 14 der Strafprozessordnung vom 5. Okt. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 1881; BBl 2006 1085).

16 SR 0.312.1

3. Kapitel: Überstellung der vom Gerichtshof verfolgten oder verurteilten Personen



1. Abschnitt: Voraussetzungen

Art. 16 Grundsatz

1 Eine Person wird dem Gerichtshof überstellt, wenn aus dem Ersuchen und den dazugehörigen Unterlagen hervorgeht, dass die Tat in die Zuständigkeit des Gerichtshofs fällt.

2 Prüft der Gerichtshof eine Anfechtung der Zuständigkeit nach den Artikeln 17–19 des Statuts17, so kann die Zentralstelle die Erledigung des Ersuchens so lange aufschie­ben, bis der Gerichtshof entschieden hat.

3 Wird eine Schweizer Bürgerin oder ein Schweizer Bürger dem Gerichtshof über­stellt, so ersucht die Zentralstelle diesen um Rückführung nach Abschluss des Ver­fahrens.

Art. 17 Inhalt und Unterlagen des Ersuchens

1 Ein Ersuchen um Festnahme und Überstellung einer Person, gegen die der Gerichts­hof einen Haftbefehl erlassen hat, enthält:

a.
eine Beschreibung der Person, die zu deren Identifizierung ausreicht, sowie Angaben über den Ort, an dem sie sich vermutlich befindet;
b.
eine Abschrift des Haftbefehls;
c.
den Haftgrund.

2 Ein Ersuchen um Festnahme und Überstellung einer bereits verurteilten Person ent­hält:

a.
eine Abschrift des Haftbefehls;
b.
eine Abschrift des Schuldspruchs;
c.
wenn ein Strafspruch ergangen ist, eine Abschrift des Strafspruchs sowie im Falle einer Freiheitsstrafe eine Erklärung über die bereits verbüsste und die noch zu verbüssende Freiheitsstrafe.

3 Dem Ersuchen sind beizufügen:

a.
eine kurze Darstellung des wesentlichen Sachverhalts, die eine rechtliche Be­urteilung der Tat erlaubt;
b.
die anwendbaren Bestimmungen des Statuts18 sowie der Verfahrens- und Beweisordnung des Gerichtshofs.

2. Abschnitt: Überstellungshaft und Sicherstellung

Art. 18 Fahndung, Festnahme und Sicherstellung

1 Ersuchen um Fahndung und Festnahme enthalten:

a.
möglichst genaue und vollständige Angaben über die Person, gegen die sich das Ersuchen richtet, sowie Angaben über den Ort, an dem sie sich vermut­lich aufhält;
b.
eine kurze Darstellung des Sachverhalts sowie wenn möglich Datum und Ort der Tat;
c.
eine Erklärung, wonach ein gültiger Haftbefehl oder ein Schuldspruch gegen die Person vorliegt;
d.
eine Erklärung, dass ein Überstellungsersuchen nachgereicht wird.

2 Entspricht die Zentralstelle dem Ersuchen, so leitet sie die Fahndung ein und ordnet die Festnahme sowie nötigenfalls die Durchsuchung der Person an.

3 Bei der Festnahme werden Gegenstände und Vermögenswerte, die als Beweismit­tel im Verfahren vor dem Gerichtshof dienen können oder die aus der strafbaren Hand­lung herrühren, sichergestellt.

4 Festnahme und Sicherstellung werden der Zentralstelle mitgeteilt. Diese informiert umgehend den Gerichtshof und fordert ihn auf, ein Überstellungsersuchen zu stellen.

Art. 19 Überstellungshaftbefehl

1 Die Zentralstelle erlässt im Hinblick auf die Festnahme oder umgehend nach dieser einen Überstellungshaftbefehl. Dieser enthält:

a.
die Angaben über die verfolgte Person und die ihr zur Last gelegte Tat;
b.
die Mitteilung, dass der Gerichtshof die Überstellung verlangt;
c.
den Hinweis auf das Recht zur Beschwerde nach Absatz 4 und zum Beizug eines Rechtsbeistands.

2 Ist die verfolgte Person nicht hafterstehungsfähig oder rechtfertigen es andere Gründe, so kann die Zentralstelle, nachdem sie diesbezüglich den Gerichtshof infor­miert und dessen Empfehlungen vollumfänglich berücksichtigt hat, an Stelle der Haft andere Sicherungsmassnahmen anordnen.

3 Bei der Eröffnung des Überstellungshaftbefehls stellt die ausführende Behörde fest, ob die verfolgte Person mit der im Ersuchen bezeichneten identisch ist. Sie erklärt ihr die Voraussetzungen der Überstellung und der vereinfachten Überstellung (Art. 23). Die verfolgte Person wird kurz über ihre persönlichen Verhältnisse ein­vernommen und befragt, ob und aus welchen Gründen sie Einwendungen gegen den Überstellungshaftbefehl oder die Überstellung erhebt; ihr Rechtsbeistand kann dabei mitwirken.

4 Gegen den Überstellungshaftbefehl kann die verfolgte Person innert zehn Tagen ab der schriftlichen Eröffnung Beschwerde bei der Beschwerdekammer des Bundes­strafgerichts führen. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Artikel 379–392 StPO19 sinngemäss.20

19 SR 312.0

20 Fassung gemäss Anhang 1 Ziff. II 14 der Strafprozessordnung vom 5. Okt. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 1881; BBl 2006 1085).

Art. 20 Überstellungshaft

1 Die Überstellungshaft bleibt grundsätzlich während des ganzen Verfahrens auf­rechterhalten.

2 Sie kann in jedem Stadium des Verfahrens ausnahmsweise aufgehoben werden, wenn dies nach den Umständen angezeigt erscheint. Die verfolgte Person kann jederzeit ein Haftentlassungsgesuch einreichen. Vor ihrem Entscheid informiert die Zent­ralstelle den Gerichtshof und berücksichtigt dessen Empfehlungen vollumfäng­lich. Gegen den Entscheid der Zentralstelle kann die verfolgte Person innert zehn Tagen ab der schriftlichen Eröffnung Beschwerde bei der Beschwerdekammer des Bundessstrafgerichts führen. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Artikel 379–392 StPO21 sinngemäss.22

3 Befindet sich die verfolgte Person bereits in Untersuchungs- oder Strafhaft, so hat der Überstellungshaftbefehl, andere Anweisungen des Gerichtshofs vorbehalten, ins­be­sondere folgende Wirkungen:

a.
Die verfolgte Person darf ohne Zustimmung der Zentralstelle weder frei­gelas­sen noch aus der Schweiz ausgeschafft werden.
b.
Für Erleichterungen der Haftbedingungen ist die Zustimmung der Zentral­stelle erforderlich.
c.
Die Gewährung der Besuchsrechte und die Kontrolle der Korrespondenz erfolgen im Einvernehmen mit der Zentralstelle.

21 SR 312.0

22 Fassung vierter und fünfter Satz gemäss Anhang 1 Ziff. II 14 der Strafprozessordnung vom 5. Okt. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 1881; BBl 2006 1085).

Art. 21 Aufhebung der Überstellungshaft

1 Treffen das Überstellungsersuchen und die dazugehörigen Unterlagen nicht bei der Zentralstelle ein, so hebt diese die Überstellungshaft spätestens 60 Tage nach der Fest­nahme auf.

2 Befindet sich die verfolgte Person bereits in Haft, so beginnt die Frist nach Absatz 1 mit der Versetzung in die Überstellungshaft.

3 Ist die Person nach Absatz 1 aus der Haft entlassen worden, so schliesst dies ihre spätere Festnahme und Überstellung nicht aus, wenn das Überstellungsersuchen und die dazugehörigen Unterlagen zu einem späteren Zeitpunkt übermittelt werden.

4 Im Übrigen gelten für die Haftentlassung sinngemäss die Artikel 238–240 StPO23 über die Sicherheitsleistung.

3. Abschnitt: Überstellungsentscheid

Art. 22 Rechtliches Gehör

1 Das Überstellungsersuchen und die dazugehörigen Unterlagen werden der ver­folgten Person und gegebenenfalls ihrem Rechtsbeistand vorgelegt.

2 Die ausführende Behörde erklärt der verfolgten Person die Voraussetzungen der Überstellung sowie der vereinfachten Überstellung und weist sie auf ihr Recht hin:

a.
die Zuständigkeit des Gerichtshofs anzufechten;
b.
sich von einem Rechtsbeistand ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls sie keinen Rechtsbeistand hat, sich von der Zentralstelle einen Rechtsbei­stand oder gegebenenfalls einen amtlichen Rechtsbeistand bestellen zu las­sen.

3 Die verfolgte Person wird kurz über ihre persönlichen Verhältnisse einvernommen und befragt, ob und aus welchen Gründen sie Einwendungen gegen die Überstellung erhebt. Ihr Rechtsbeistand kann dabei mitwirken.

4 Im Übrigen gelten für die Haftentlassung sinngemäss die Artikel 238–240 StPO24 über die Sicherheitsleistung.25

24 SR 312.0

25 Eingefügt durch Anhang 1 Ziff. II 14 der Strafprozessordnung vom 5. Okt. 2007, in Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 1881; BBl 2006 1085).

Art. 23 Vereinfachte Überstellung

1 Gibt die verfolgte Person einer Justizbehörde zu Protokoll, dass sie auf die Durch­führung des Überstellungsverfahrens verzichtet, so bewilligt die Zentralstelle die Übergabe, wenn keine besonderen Bedenken bestehen.

2 Die Zentralstelle kann die in Artikel 17 genannten Unterlagen beim Gerichtshof an­fordern, wenn sie dies für die Bewilligung als notwendig erachtet.

3 Die verfolgte Person kann den Verzicht nach Absatz 1 widerrufen, solange die Zentralstelle die Übergabe nicht bewilligt hat.

Art. 24 Bewilligung der Überstellung

1 Die Zentralstelle bewilligt die Überstellung der verfolgten Person sowie die Aus­händigung der sichergestellten Gegenstände und Vermögenswerte.

2 Ficht die verfolgte Person oder die Zentralstelle die Zuständigkeit des Gerichtshofs an, so wird die Bewilligung bis zum Entscheid des Gerichtshofs aufgeschoben.

3 Machen Dritte, die gutgläubig Rechte erworben haben, Behörden oder Geschä­dig­te, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz haben, Rechte an den beschlagnahmten Gegenständen und Vermögenswerten geltend, die als Beweismittel dienen können, so werden sie nur ausgehändigt, wenn der Gerichtshof die kostenlose Rückgabe nach Abschluss seines Verfahrens zusichert.

Art. 25 Vollzug

1 Die Überstellung wird umgehend vollzogen. Die Zentralstelle trifft die erforder­lichen Anordnungen im Einvernehmen mit dem Gerichtshof.

2 Die Zentralstelle kann den Vollzug der Überstellung um eine mit dem Gerichtshof vereinbarte Zeitspanne aufschieben, wenn die zu überstellende Person in der Schweiz wegen anderer strafbarer Handlungen verfolgt wird oder sich in Haft befin­det.

3 Wird die Überstellung abgelehnt, so hebt die Zentralstelle die Überstellungshaft auf.

Art. 26 Vorübergehende Zuführung

1 In den Fällen der Artikel 24 Absatz 2 und 25 Absatz 2 kann die Zentralstelle die vorübergehende Zuführung der verfolgten Person bewilligen, wenn Konsultationen mit dem Gerichtshof ergeben haben:

a.
wie lange sie vom Gerichtshof beansprucht wird;
b.
dass sie während des gesamten Zeitraums in Haft bleibt;
c.
welchem Verfahren der Freiheitsentzug angerechnet wird;
d.
dass sie nach Abschluss des Verfahrens auf Ersuchen der Zentralstelle zurückgeführt wird.

2 Hat die Zentralstelle noch keinen Überstellungsentscheid getroffen, so kann die vorübergehende Zuführung nur mit dem Einverständnis der verfolgten Person erfol­gen.

Art. 27 Grundsatz der Spezialität

Eine dem Gerichtshof überstellte Person kann von diesem für sämtliche Taten strafrechtlich verfolgt, bestraft oder in Haft genommen werden, die in die Zustän­digkeit des Gerichtshofs fallen.

Art. 28 Kosten

Persönliches Eigentum der verfolgten Person kann zur Deckung der schweizerischen Kosten verwendet werden, soweit es nicht dem Gerichtshof herauszugeben ist.

4. Kapitel: Andere Formen der Zusammenarbeit

1. Abschnitt: Voraussetzungen

Art. 29 Grundsatz

1 Dem Gerichtshof wird Zusammenarbeit nach Artikel 30 gewährt, wenn aus dem Ersuchen und den dazugehörigen Unterlagen hervorgeht, dass die Tat in die Zustän­digkeit des Gerichtshofs fällt.

2 Prüft der Gerichtshof eine Anfechtung seiner Zuständigkeit nach den Artikeln 17–19 des Statuts26, so kann die Zentralstelle die Erledigung des Ersuchens so lange aufschieben, bis der Gerichtshof entschieden hat; die Anordnung vorsorglicher Massnahmen wird davon nicht berührt.

Art. 30 Formen der Zusammenarbeit

Zusammenarbeit nach diesem Kapitel kann alle nach schweizerischem Recht nicht un­zulässigen Prozesshandlungen umfassen, welche die Ermittlungen und die straf­rechtliche Verfolgung betreffend Taten, die in die Zuständigkeit des Gerichtshofs fal­len, erleichtern oder der Beibringung der Beute dienen, insbesondere:

a.
die Identifizierung nicht angeschuldigter Personen, die Ermittlung ihres Auf­enthalts und die Lokalisierung von Gegenständen;
b.
die Beweisaufnahme, einschliesslich Zeugenaussagen, und die Beibringung von Beweismitteln, einschliesslich Sachverständigengutachten und Berich­ten, die der Gerichtshof benötigt;
c.
die Einvernahme von Personen, gegen die ermittelt wird oder die strafrecht­lich verfolgt werden;
d.
die Zustellung von Unterlagen, einschliesslich gerichtlicher Schriftstücke;
e.
die zeitweilige Übergabe inhaftierter Personen nach Artikel 39;
f.
die Untersuchung von Orten oder Stätten, einschliesslich der Untersuchung von Grabstätten und der Exhumierung;
g.
Durchsuchungen und Beschlagnahmungen;
h.
die Beibringung von Akten und Unterlagen, einschliesslich amtlicher Akten und Unterlagen;
i.
der Schutz von Opfern und Zeugen sowie die Sicherstellung von Beweismit­teln;
j.
die Identifizierung, das Aufspüren und Einfrieren oder die Beschlagnahmung von Erlösen und Vermögensgegenständen sowie Tatwerkzeugen zum Zweck der späteren Einziehung.
Art. 31 Vorsorgliche Massnahmen

1 Auf ausdrückliches Ersuchen des Gerichtshofs kann die Zentralstelle vorsorgliche Massnahmen zur Erhaltung des bestehenden Zustandes, zur Wahrung bedrohter recht­licher Interessen oder zur Sicherung gefährdeter Beweismittel anordnen.

2 Ist Gefahr im Verzug, so kann die Zentralstelle, sobald ein Ersuchen angekündigt ist und ausreichende Angaben zur Beurteilung der Voraussetzungen vorliegen, vorsorg­liche Massnahmen anordnen. Diese werden aufgehoben, wenn der Gerichts­hof nicht innert der von der Zentralstelle gesetzten Frist das Ersuchen einreicht.

Art. 32 Anwendung der Verfahrensformen des Gerichtshofs

Auf ausdrückliches Ersuchen des Gerichtshofs werden die Ersuchen in der von ihm angegebenen Weise erledigt; dabei gilt insbesondere:

a.
Die Aussagen von Zeugen und Sachverständigen werden in der vom Statut27 oder von der Verfahrens- und Beweisordnung des Gerichtshofs vorgeschrie­benen Form bekräftigt.
b.
Die für die gerichtliche Zulassung anderer Beweismittel erforderlichen For­men können berücksichtigt werden.
c.
Es können Massnahmen getroffen werden, um die Sicherheit oder das körperli­che und seelische Wohl der Opfer, möglicher Zeugen und von deren An­gehörigen zu gewährleisten.
d.
Den am Verfahren vor dem Gerichtshof beteiligten Personen kann gestattet werden, an der Erledigung des Ersuchens teilzunehmen und Einsicht in die Akten zu nehmen.
Art. 33 Weiterleitung von Beweismitteln an einen anderen Staat

Ersucht der Gerichtshof die Zentralstelle um Zustimmung zur Weiterleitung von Beweismitteln, die ihm von der Schweiz übergeben wurden, an einen anderen Staat, so:

a.
gibt die Zentralstelle dem Ersuchen nach den Bestimmungen dieses Kapitels statt, wenn es sich um eine Tat handelt, die in die Zuständigkeit des Gerichts­hofs fällt;
b.
ist ein Verfahren nach dem Rechtshilfegesetz vom 20. März 198128 durchzu­führen, wenn es sich um ein schweres Verbrechen nach dem innerstaatlichen Recht des ersuchenden Staates handelt.

28 SR 351.1

2. Abschnitt: Einzelne Formen der Zusammenarbeit

Art. 34 Grundsätze für die Einvernahme

1 Wird eine Person in einer Sprache einvernommen, die sie nicht vollständig versteht und spricht, so werden eine sachkundige Dolmetscherin oder ein sachkundiger Dolmetscher beigezogen und die erforderlichen Übersetzungen zur Verfügung gestellt, um dem Gebot der Fairness Genüge zu tun.

2 Die Person kann die Aussage verweigern, wenn sie:

a.
mit der Aussage sich oder eine der in der Verfahrens- und Beweisordnung des Gerichtshofs diesbezüglich genannten Personen belasten oder sich selbst schuldig bekennen würde; oder
b.
mit der Aussageverweigerung die Offenlegung vertraulicher Informationen im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit nach Artikel 72 des Sta­tuts29 verhindern will.

3 Die Person muss über ihre Rechte nach Absatz 2 vor der Einvernahme belehrt wer­den.

4 Macht die Person einen der in Absatz 2 genannten Gründe geltend, so entscheidet die Zentralstelle über die Zulässigkeit der Einvernahme.

Art. 35 Einvernahme einer verdächtigen Person

1 Bestehen Verdachtsgründe, dass eine Person ein Verbrechen begangen hat, das in die Zuständigkeit des Gerichtshofs fällt, so hat die Person zusätzlich zu den Rechten nach Artikel 34:

a.
das Recht, vor der Einvernahme darüber belehrt zu werden, dass sie eines Verbrechens verdächtigt wird, das in die Zuständigkeit des Gerichtshofs fällt;
b.
das Recht zu schweigen, ohne dass ihr dieses Schweigen bei der Feststellung von Schuld oder Unschuld zur Last gelegt wird;
c.
das Recht, sich von einem Rechtsbeistand ihrer Wahl verteidigen zu lassen, oder, falls sie keinen Rechtsbeistand hat, das Recht, sich von der Zentral­stelle einen Rechtsbeistand oder gegebenenfalls einen amtlichen Rechtsbei­stand bestellen zu lassen;
d.
das Recht, in Anwesenheit ihres Rechtsbeistands einvernommen zu werden, sofern sie nicht freiwillig auf ihr Recht auf Rechtsbeistand verzichtet hat.

2 Die Person muss über ihre Rechte nach Absatz 1 vor der Einvernahme belehrt wer­den.

Art. 36 Zustellung von Prozessakten

Der Gerichtshof kann seine Entscheide und andere Prozessakten oder Schriftstücke der Empfängerin oder dem Empfänger in der Schweiz direkt per Post zustellen.

Art. 37 Vorladung

1 Der Vorladung zum Erscheinen vor dem Gerichtshof als Zeuge oder Sachverstän­diger muss die Verfahrens- und Beweisregel des Gerichtshofs über die Selbstinkri­minierung beigelegt werden. Diese muss der betroffenen Person in einer Sprache abgegeben werden, die sie versteht.

2 Die vorgeladene Person ist nicht verpflichtet, der Vorladung Folge zu leisten. Die Zentralstelle holt beim Gerichtshof eine schriftliche Zusicherung ein, die den Zeugen oder Sachverständigen freies Geleit garantiert, wenn ein entsprechendes Gesuch gestellt wird.

Art. 38 Untersuchungshandlungen auf schweizerischem Hoheitsgebiet

1 Die Zentralstelle kann den Ankläger auf dessen Ersuchen ermächtigen, Unter­suchungshandlungen im Sinne von Artikel 99 Absatz 4 des Statuts30 auf schweizeri­schem Hoheitsgebiet vorzunehmen.

2 Die Zentralstelle informiert die Behörden, die nach schweizerischem Recht für die Untersuchungshandlungen zuständig wären.

Art. 39 Zeitweilige Übergabe inhaftierter Personen

1 Nicht angeschuldigte Personen, die sich in der Schweiz in Haft befinden, können dem Gerichtshof zum Zweck der Identifizierung, der Einvernahme, der Konfronta­tion oder einer sonstigen Untersuchungshandlung zeitweilig übergeben werden, wenn die inhaftierte Person in Kenntnis sämtlicher Umstände einwilligt.

2 Der Gerichtshof muss der zugeführten Person freies Geleit zusichern, sie in Haft be­lassen und die Zusicherung abgeben, dass die Person zurückgeführt wird, sobald der Zweck der Übergabe erfüllt ist.

Art. 40 Herausgabe von Beweismitteln

1 Gegenstände, Schriftstücke oder Vermögenswerte, die zu Beweiszwecken beschlag­nahmt wurden, sowie Akten und Entscheide werden dem Gerichtshof auf dessen Ersuchen zur Verfügung gestellt.

2 Machen Dritte, die gutgläubig Rechte erworben haben, Behörden oder Geschä­digte, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz haben, Rechte an Gegens­tänden, Schriftstücken oder Vermögenswerten nach Absatz 1 geltend, so werden diese nur herausgegeben, wenn der Gerichtshof die kostenlose Rückgabe nach Abschluss seines Verfahrens zusichert.

3 Die Herausgabe kann aufgeschoben werden, solange die Gegenstände, Schrift­stü­cke oder Vermögenswerte für ein in der Schweiz hängiges Strafverfahren benötigt werden und sofern der Gerichtshof nach Konsultation einwilligt.

Art. 41 Herausgabe zur Einziehung, zur Zuweisung an den Treuhandfonds oder zur Rückerstattung

1 Gegenstände oder Vermögenswerte, die zu Sicherungszwecken beschlagnahmt wur­den, können dem Gerichtshof auf Ersuchen jederzeit zur Einziehung, zur Zuwei­sung an den Treuhandfonds (Art. 79 des Statuts31) oder zur Rückerstattung herausge­geben werden.

2 Gegenstände und Vermögenswerte nach Absatz 1 umfassen:

a.
Gegenstände, mit denen eine strafbare Handlung begangen wurde;
b.
das Erzeugnis oder den Erlös aus einer strafbaren Handlung, deren Ersatz­wert und einen unrechtmässigen Vorteil;
c.
Geschenke und andere Zuwendungen, die dazu gedient haben oder bestimmt waren, die strafbare Handlung zu veranlassen oder zu belohnen, sowie deren Ersatzwert.

3 Gegenstände und Vermögenswerte bleiben beschlagnahmt, bis die Herausgabe an den Gerichtshof erfolgt ist oder dieser der Zentralstelle mitteilt, dass er auf die Herausgabe verzichtet.

4 Gegenstände oder Vermögenswerte können in der Schweiz zurückbehalten wer­den, wenn:

a.
die geschädigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz hat und sie ihr zurückzugeben sind;
b.
eine Behörde Rechte an diesen geltend macht;
c.
eine an der strafbaren Handlung nicht beteiligte Person glaubhaft macht, sie habe an diesen in der Schweiz oder, sofern sie ihren gewöhnlichen Aufent­halt in der Schweiz hat, im Ausland gutgläubig Rechte erworben; oder
d.
sie für ein in der Schweiz hängiges Strafverfahren benötigt werden oder in der Schweiz eingezogen werden könnten.

5 Macht eine Person Ansprüche nach Absatz 4 geltend, so wird die Freigabe der Gegenstände oder Vermögenswerte an den Gerichtshof aufgeschoben, bis die Rechtslage geklärt ist. Die strittigen Gegenstände oder Vermögenswerte dürfen der Person nur herausgegeben werden, wenn:

a.
der Gerichtshof zustimmt;
b.
im Falle von Absatz 4 Buchstabe b die Behörde zustimmt; oder
c.
die Berechtigung des Anspruchs von einer schweizerischen Behörde aner­kannt wurde.

3. Abschnitt: Verfahren

Art. 42 Inhalt des Ersuchens

1 Ein Ersuchen enthält:

a.
eine kurze Darstellung des wesentlichen Sachverhalts, der dem Ersuchen zu Grunde liegt, sowie die rechtliche Bezeichnung der Tat;
b.
möglichst genaue und vollständige Angaben über die Person, gegen die sich das Strafverfahren richtet;
c.
eine kurze Darstellung des Zwecks des Ersuchens und der erbetenen Zusam­menarbeit, einschliesslich der Gründe für das Ersuchen und der Rechts­grund­lage;
d.
gegebenenfalls möglichst ausführliche Informationen über Aufenthaltsort oder Identifizierung von Personen oder über Orte, die gefunden oder identi­fiziert werden müssen, damit die erbetene Zusammenarbeit geleistet werden kann;
e.
gegebenenfalls detaillierte und begründete Angaben über die einzuhaltenden Verfahren und Bedingungen.

2 Entspricht ein Ersuchen den Anforderungen nach Absatz 1 nicht, so kann die Zent­ralstelle verlangen, dass es verbessert oder ergänzt wird; die Anordnung vorsorg­licher Massnahmen wird davon nicht berührt.

Art. 43 Eintretensverfügung und Vollzug

1 Die Zentralstelle prüft das Ersuchen und erlässt eine nicht anfechtbare summarisch begründete Eintretensverfügung. Sie bestimmt, welche eidgenössische Behörde oder welcher Kanton für den Vollzug zuständig ist, und ordnet die im Rahmen der Zusammenarbeit zulässigen Handlungen an.

2 Würde der sofortige Vollzug laufende Ermittlungen oder eine laufende Strafver­folgung in der Schweiz in einer anderen Sache als derjenigen, auf die sich das Ersu­chen bezieht, beeinträchtigen, so kann die Zentralstelle den Vollzug um eine mit dem Gerichtshof vereinbarte Zeitspanne aufschieben.

Art. 44 Nationale Sicherheit

1 Hat die Zentralstelle ernsthafte Gründe für die Annahme, dass die Erledigung eines Ersuchens die nationale Sicherheit beeinträchtigen könnte, so informiert sie das Departement umgehend.

2 In den Fällen nach Absatz 1 kann das Departement Vollzugshandlungen sistieren.

3 Der Bundesrat lehnt auf Antrag des Departements das Ersuchen des Gerichtshofs um Zusammenarbeit ab, soweit durch deren Gewährung die nationale Sicherheit beeinträchtigt würde.

Art. 45 Zustellung von Verfügungen

1 Die ausführende Behörde und die Zentralstelle stellen ihre Verfügungen den nach Artikel 50 zur Beschwerdeführung Berechtigten zu, die Wohnsitz oder ein Zustel­lungsdomizil in der Schweiz haben.

2 Das Recht auf Zustellung erlischt, sobald die Verfügung, mit der das Verfahren abgeschlossen wird, vollstreckbar ist.

Art. 46 Teilnahme am Verfahren und Akteneinsicht

1 Soweit dies für die Wahrung ihrer Interessen erforderlich ist, können Personen am Verfahren teilnehmen und Einsicht in die Akten nehmen.

2 Die Rechte nach Absatz 1 können, soweit erforderlich, eingeschränkt werden:

a.
im Interesse des Verfahrens vor dem Gerichtshof;
b.
zum Schutz eines wesentlichen rechtlichen Interesses, sofern der Gerichtshof es verlangt;
c.
wegen der Natur oder der Dringlichkeit der zu treffenden Massnahme;
d.
zum Schutz wesentlicher privater Interessen;
e.
im Interesse eines schweizerischen Verfahrens.

3 Die Inhaberinnen und Inhaber von Schriftstücken sind berechtigt, ihre Mandanten über das Vorliegen eines Ersuchens und alle damit zusammenhängenden Tatsachen zu informieren, sofern die Zentralstelle dies nicht ausnahmsweise oder auf Ersuchen des Gerichtshofs unter Hinweis auf die Strafdrohung nach Artikel 292 des Straf­gesetz­buches32 ausdrücklich untersagt hat.

Art. 47 Vereinfachtes Verfahren

1 Die nach Artikel 50 zur Beschwerdeführung Berechtigten, insbesondere die Inha­berinnen und Inhaber von Gegenständen, Schriftstücken, Auskünften oder Vermö­genswerten, können bis zum Abschluss des Verfahrens einer Herausgabe derselben an den Gerichtshof zustimmen. Die Zustimmung ist unwiderruflich.

2 Willigen alle nach Absatz 1 Berechtigten ein, so hält die ausführende Behörde die Zustimmung schriftlich fest und teilt dies der Zentralstelle mit. Diese schliesst das Verfahren ab, ohne eine Schlussverfügung zu erlassen.

3 Umfasst die Herausgabe nur einen Teil der verlangten Gegenstände, Schriftstücke, Auskünfte oder Vermögenswerte, so wird für den restlichen Teil das ordentliche Ver­fahren weitergeführt.

Art. 48 Schlussverfügung

Erachtet die Zentralstelle das Ersuchen als ganz oder teilweise erledigt, so erlässt sie eine begründete Verfügung über die Gewährung und den Umfang der Zusammen­arbeit.

4. Abschnitt: Rechtsmittel

Art. 50 Beschwerdelegitimation

Zur Beschwerdeführung ist berechtigt, wer:

a.
nicht im Verfahren vor dem Gerichtshof angeschuldigt ist;
b.
persönlich und direkt von einer Massnahme betroffen ist;
c.
ein schutzwürdiges Interesse an der Änderung oder Aufhebung der Verfü­gung hat; und
d.
seine Rechte vor dem Gerichtshof nicht geltend machen kann oder wem dies nicht zuzumuten ist.
Art. 51 Beschwerdegründe und ‑frist

1 Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich der Über­schreitung oder des Missbrauchs des Ermessens, gerügt werden.

2 Macht die beschwerdeführende Person Gründe geltend, die nach den Bestimmun­gen des Statuts34 nur vom Gerichtshof beurteilt werden können, so leitet die Zentral­stelle die Beschwerdeschrift an diesen weiter, sofern er noch nicht entschieden hat.

3 Beschwerden gegen eine Schlussverfügung müssen innert zehn Tagen ab deren Zu­­stellung eingereicht werden.

4 Tritt die berechtigte Person in ein hängiges Verfahren ein, so kann sie eine rechts­kräftige Schlussverfügung nicht mehr anfechten.

Art. 52 Aufschiebende Wirkung

1 Beschwerden haben aufschiebende Wirkung.

2 In dringenden Fällen im Sinne von Artikel 99 Absatz 2 des Statuts35 kann die Zen­tralstelle beim Bundesstrafgericht und beim Bundesgericht den Entzug der aufschie­benden Wirkung beantragen.36

3 Entzieht das Bundesstrafgericht oder das Bundesgericht der Beschwerde die auf­schiebende Wirkung, so kann dieser Entscheid mit der in Artikel 93 Absatz 8 Buch­stabe b des Statuts genannten Bedingung verknüpft werden.37

35 SR 0.312.1

36 Fassung gemäss Anhang Ziff. 32 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 2197; BBl 2001 4202).

37 Fassung gemäss Anhang Ziff. 32 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 2197; BBl 2001 4202).

5. Kapitel: Vollstreckung der Sanktionen des Gerichtshofs

1. Abschnitt: Strafentscheide

Art. 53 Voraussetzungen

1 Die Schweiz kann die Vollstreckung eines rechtskräftigen und vollstreckbaren Straf­entscheids des Gerichtshofs auf dessen Ersuchen übernehmen, wenn die verur­teilte Person:

a.
Schweizer Bürgerin oder Schweizer Bürger ist; oder
b.
in der Schweiz ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.

2 Geldstrafen können auch vollstreckt werden, wenn die verurteilte Person ihren gewöhn­lichen Aufenthalt im Ausland hat, in der Schweiz aber über Vermögenswerte ver­fügt.

Art. 55 Vollzug der Freiheitsstrafe

1 Mit der Annahme des Ersuchens durch die Zentralstelle wird die vom Gerichtshof verhängte Freiheitsstrafe in der Schweiz vollziehbar. Diese ist bindend; nur der Gerichtshof hat das Recht, über jede Art der Herabsetzung der Haftdauer zu ent­scheiden.

2 Die Strafe wird nach schweizerischem Recht vollzogen; Absatz 1 bleibt vorbehal­ten.

3 Auf Ersuchen des Gerichtshofs lässt die Zentralstelle diesem alle massgeblichen In­formationen über den Strafvollzug zukommen. Der Gerichtshof kann jederzeit eines seiner Mitglieder entsenden, das die Haftbedingungen überprüfen und die verurteilte Person ohne Begleitung treffen kann.

4 Der Verkehr zwischen dem Gerichtshof und der verurteilten Person ist vertraulich.

Art. 56 Gesuche der verurteilten Person

Stellt die verurteilte Person ein Gesuch um bedingte Entlassung oder ein Begnadi­gungs-, Berufungs- oder Wiederaufnahmegesuch, so wird dieses der Zentralstelle zu­gestellt. Diese leitet das Gesuch mit allen sachdienlichen Unterlagen umgehend an den Gerichtshof weiter.

Art. 57 Kosten

Die Transportkosten sowie die Kosten nach Artikel 100 Absatz 1 Buchstaben c–e des Statuts38 werden vom Gerichtshof getragen.

2 Der Bund trägt die übrigen Kosten des Strafvollzugs. Für die Berechnung der Haft­­kosten sind die Ansätze massgebend, die zwischen dem Gerichtshof und dem Gast­staat nach Artikel 103 Absatz 4 des Statuts für den Strafvollzug vereinbart wurden.

2. Abschnitt: Einziehungsanordnungen

Art. 58

Auf die Vollstreckung von Einziehungsanordnungen ist Artikel 41 sinngemäss anwendbar, wenn der Gerichtshof nach Artikel 75 oder 79 des Statuts39 über die Verwen­dung der Gegenstände oder Vermögenswerte bereits entschieden hat und von der Schweiz die Vollstreckung verlangt.

6. Kapitel: Schlussbestimmungen

Art. 60 Referendum und Inkrafttreten

1 Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

2 Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.

Datum des Inkrafttretens: 1. Juli 200241

41 BRB vom 4. Febr. 2002