832.321

Verordnung
über den Schutz der Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer vor Gefährdung durch Mikroorganismen

(SAMV)

vom 25. August 1999 (Stand am 1. Januar 2020)

Der Schweizerische Bundesrat,

gestützt auf Artikel 83 des Unfallversicherungsgesetzes vom 20. März 19811
sowie auf die Artikel 6 Absatz 4 und 40 des Arbeitsgesetzes vom 13. März 19642,

verordnet:

1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen

Art. 1 Gegenstand und Geltungsbereich

1 Diese Verordnung legt fest, welche Massnahmen zum Schutz der Arbeitnehmerin­nen und Arbeitnehmer beim Umgang mit Mikroorganismen und bei der Exposition gegenüber Mikroorganismen zu treffen sind.

2 Wo diese Verordnung nichts Besonderes bestimmt, gelten die Verordnung vom 19. Dezember 19833 über die Unfallverhütung (VUV) sowie die Verordnungen 3 und 4 vom 18. August 19934 zum Arbeitsgesetz.

Art. 2 Begriffe

Im Sinne dieser Verordnung gelten als:

a.5
Mikroorganismen: zelluläre oder nichtzelluläre mikrobiologische Einheiten, die fähig sind, sich zu vermehren oder genetisches Material zu übertragen, insbesondere Bakterien, Algen, Pilze, Protozoen, Viren und Viroide; ihnen gleichgestellt sind Gemische, Gegenstände und Erzeugnisse, die solche Einheiten enthalten sowie Zellkulturen, Humanparasiten, Prionen und biologisch aktives genetisches Material;
b.
gentechnisch veränderte Mikroorganismen: Mikroorganismen, deren gene­tisches Material durch gentechnische Verfahren nach Anhang 1 so verändert worden ist, wie dies unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt;
c.
geschlossenes System: Einrichtung, die durch physikalische Schranken oder durch eine Kombination physikalischer mit chemischen oder biologischen Schranken den Kontakt der Mikroorganismen mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern begrenzt oder verhindert;
d.
Umgang: jede beabsichtigte Tätigkeit mit Mikroorganismen, insbesondere das Verwenden, Verarbeiten, Vermehren, Verändern, Nachweisen, Trans­portieren, Lagern oder Entsorgen;
e.
Exposition: jede Situation, in welcher ein Kontakt mit Mikroorganismen möglich ist, der die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gefährden kann.

5 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 9. Mai 2012, in Kraft seit 1. Juni 2012 (AS 2012 2821).

Art. 3 Gruppen von Mikroorganismen

1 Die Mikroorganismen werden in vier Gruppen eingeteilt. Massgeblich für die Ein­teilung ist das Risiko, das sie nach dem Stand der Wissenschaft aufweisen, d. h. die schädigenden Eigenschaften, insbesondere die Pathogenität für Menschen, und die Wahrscheinlichkeit, dass diese Eigenschaften zur Wirkung kommen.

2 Die Gruppen werden wie folgt umschrieben:

a.
Gruppe 1: Mikroorganismen, die kein oder ein vernachlässigbar kleines Risiko aufweisen;
b.
Gruppe 2: Mikroorganismen, die ein geringes Risiko aufweisen;
c.
Gruppe 3: Mikroorganismen, die ein mässiges Risiko aufweisen;
d.
Gruppe 4: Mikroorganismen, die ein hohes Risiko aufweisen.
Art. 46 Liste der eingeteilten Mikroorganismen

1 Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) führt im Einvernehmen mit den Bundes­ämtern für Gesundheit, für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen7 und für Landwirtschaft, mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft sowie mit der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA), und nach Anhörung der Eidgenössischen Fachkommission für biologische Sicherheit eine öffentlich zugängliche Liste, in der Mikroorganismen nach den Kriterien von Anhang 2.1 in eine der vier Gruppen eingeteilt sind.

2 Das BAFU berücksichtigt dabei die bestehenden Listen, insbesondere diejenigen der Europäischen Union und von deren Mitgliedstaaten.

6 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 9. Mai 2012, in Kraft seit 1. Juni 2012 (AS 2012 2821).

7 Die Bezeichnung der Verwaltungseinheit wurde in Anwendung von Art. 16 Abs. 3 der Publikationsverordnung vom 17. Nov. 2004 (AS 2004 4937) auf den 1. Jan. 2014 angepasst.

2. Kapitel: Pflichten des Arbeitgebers

1. Abschnitt: Gefahrenermittlung und Risikobewertung

Art. 5 Allgemeines Vorgehen

1 Der Arbeitgeber muss zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor jedem Umgang mit Mikroorganismen und vor jeder Exposition gegenüber Mikroorganismen die Gefahr ermitteln und das damit verbundene Risiko bewerten.8

2 Die Gefahrenermittlung und die Risikobewertung sind regelmässig zu wieder­holen, insbesondere bei jeder Änderung der Bedingungen oder beim Vorliegen wesentlicher neuer Erkenntnisse.

3 Der Arbeitgeber muss der zuständigen Behörde auf Verlangen die Kriterien mitteilen, die er zur Gefahrenermittlung und zur Risikobewertung anwendet.

8 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 9. Mai 2012, in Kraft seit 1. Juni 2012 (AS 2012 2821).

Art. 6 Vorgehen beim Umgang mit Mikroorganismen

1 Der Arbeitgeber muss feststellen, zu welcher Gruppe die verwendeten Mikro­orga­nismen gehören. Massgebend ist die Liste nach Artikel 4.

2 Bestehen bei einem Mikroorganismus Anzeichen eines erhöhten oder eines verringerten Risikos oder ist dieser Mikroorganismus nicht auf der Liste nach Artikel 4 aufgeführt, so muss der Arbeitgeber die Zuordnung zu einer der vier Gruppen nach den Kriterien von Anhang 2.1 selbst vornehmen. Diese Zuordnung ist zu dokumentieren. Die zuständige Behörde kann die Zuordnung überprüfen und ändern.9

3 Bei der Zuordnung gentechnisch veränderter Mikroorganismen ist zu berücksich­tigen, wie deren Eigenschaften mit den Eigenschaften des Empfängerorganismus, des Spenderorganismus, des Vektors (falls ein solcher verwendet wird), des klo­nierten Gens einschliesslich seiner Regulationsregion oder des Genproduktes zusammenwirken. Sind die Eigenschaften des übertragenen genetischen Materials genau bekannt, so müssen nur diese Eigenschaften bei der Zuordnung der isolierten gentechnisch veränderten Mikroorganismen berücksichtigt werden und nicht alle Eigen­schaften des Spenderorganismus.

4 Die Risikobewertung kann mit derjenigen nach den Artikeln 6 und 7 der Einschliessungsverordnung vom 9. Mai 201210 (ESV) kombiniert werden.11

5 Die Sicherheitsmassnahmen sind nach den Artikeln 8 und 9 festzulegen.

6 Für bestimmte Tätigkeiten, die zwar einen Umgang mit Mikroorganismen erfordern, aber aufgrund langjähriger Erfahrung oder nach der Freisetzungsverordnung vom 10. September 200812 nicht in geschlossenen Systemen durchgeführt werden müssen, genügen die Gefahrenermittlung und die Risikobewertung nach Artikel 7 sowie die Festlegung der Sicherheitsmassnahmen nach Artikel 8. Es handelt sich dabei insbesondere um bestimmte Tätigkeiten:

a.
in der Landwirtschaft;
b.
in der Lebensmittelproduktion;
c.
in Kläranlagen;
d.
in Kompostierwerken.13

9 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 9. Mai 2012, in Kraft seit 1. Juni 2012 (AS 2012 2821).

10 SR 814.912

11 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 9. Mai 2012, in Kraft seit 1. Juni 2012 (AS 2012 2821).

12 SR 814.911

13 Fassung gemäss Anhang 5 Ziff. 9 der Freisetzungsverordnung vom 10. Sept. 2008, in Kraft seit 1. Okt. 2008 (AS 2008 4377).

Art. 7 Vorgehen bei den übrigen Tätigkeiten

1 Die Gefahrenermittlung und die Risikobewertung müssen sich auf alle verfügbaren Informationen abstützen. Insbesondere sind abzuklären:

a.
Art und Dauer der Exposition gegenüber Mikroorganismen;
b.
Eigenschaften, Mengen sowie Zustände der Mikroorganismen;
c.
Art der Übertragung der Mikroorganismen;
d.
Informationen zu Krankheiten, die sich eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer auf Grund der Exposition zuziehen könnte;
e.
allergieauslösende oder toxische Wirkungen der Mikroorganismen;
f.
eine bei einer Arbeitnehmerin oder einem Arbeitnehmer in unmittelbarem Zusammenhang mit der Arbeit festgestellte Krankheit;
g.
Gruppe, zu der die betreffenden Mikroorganismen gehören.

2 Die Sicherheitsmassnahmen sind nach Artikel 8 festzulegen.

2. Abschnitt: Sicherheitsmassnahmen

Art. 8 Allgemeine Sicherheitsmassnahmen

1 Der Arbeitgeber muss zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Gefährdung ihrer Sicherheit und Gesundheit durch Mikroorganismen alle Massnah­men treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den gegebenen Verhältnissen angemessen sind.

2 Der Arbeitgeber ist insbesondere verpflichtet:

a.14
die Mikroorganismen auszuwählen, die das kleinste Gefährdungspotenzial aufweisen, und biologische Sicherheitssysteme nach Anhang 2.2 anderen Systemen vorzuziehen;
b.
dafür zu sorgen, dass möglichst wenige Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer Umgang mit Mikroorganismen haben oder Mikroorganismen ausgesetzt sind;
c.
Arbeitsverfahren und technische Massnahmen so zu gestalten, dass die Aus­breitung von Mikroorganismen am Arbeitsplatz möglichst vermieden wird;
d.
die Verfahren für die Entnahme, die Handhabung und die Verarbeitung von Proben menschlichen oder tierischen Ursprungs festzulegen;
e.
Vorkehren für die Schadensbewältigung und -begrenzung bei Unfällen oder Zwischenfällen mit Mikroorganismen zu treffen;
f.
Abfälle so zu sammeln, zu lagern und zu beseitigen, dass die Arbeitneh­mer­innen und Arbeitnehmer nicht gefährdet werden.

3 Der Arbeitgeber muss kollektive oder, wo dies nicht oder nur teilweise möglich ist, individuelle Schutzmassnahmen treffen. Insbesondere muss er dafür sorgen, dass:

a.
den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern geeignete Schutzausrüstung und Schutzkleidung zur Verfügung steht;
b.
die notwendigen Schutzausrüstungen sachgerecht aufbewahrt, nach Mö­g­lichkeit vor Gebrauch, auf jeden Fall aber nach Gebrauch überprüft und gereinigt werden und vor erneutem Gebrauch nötigenfalls in Stand gestellt oder ersetzt werden;
c.
Arbeitskleider und persönliche Schutzausrüstungen, die möglicherweise durch Mikroorganismen kontaminiert wurden, beim Verlassen des Arbeits­bereichs abgelegt und vor Durchführung der Massnahmen nach Buchstabe d getrennt von anderen Kleidungsstücken aufbewahrt werden;
d.
die möglicherweise durch Mikroorganismen kontaminierten Kleider und persönlichen Schutzausrüstungen gereinigt und nötigenfalls desinfiziert werden.

4 Der Arbeitgeber muss durch Hygienemassnahmen dafür sorgen, dass Mikro­orga­nismen weder die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gefährden noch auf Personen ausserhalb des Arbeitsplatzes übertragen werden. Er muss zudem dafür sorgen, dass den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern geeignete Waschanlagen zur Verfügung stehen, in denen die erforderlichen Wasch- und Dekontaminations­mittel vorhanden sind.

5 Überdies muss er für Räume, in denen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer die Gefahr einer Kontamination durch pathogene Mikroorganismen besteht, ein Ess-, Trink-, Rauch-, Schnupf- und Schminkverbot aussprechen sowie durchsetzen. In solchen Räumen dürfen auch keine Nahrungsmittel aufbewahrt werden.

14 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 9. Mai 2012, in Kraft seit 1. Juni 2012 (AS 2012 2821).

Art. 915 Besondere Sicherheitsmassnahmen beim Umgang mit Mikroorganismen

1 Für den Umgang mit Mikroorganismen gelten die folgenden Regeln:

a.
Beim Umgang mit Mikroorganismen der Gruppen 1–4 sind die Sicherheitsmassnahmen der entsprechenden Sicherheitsstufen 1–4 nach Anhang 3 zu treffen.
b.
Beim Umgang mit Mikroorganismen der Gruppen 2–4 sind geschlossene Systeme zu verwenden; in der Primärdiagnostik sind Ausnahmen nach Artikel 5a ESV16 möglich.
c.
Für Tätigkeiten nach Artikel 6 Absatz 6 genügen die allgemeinen Sicherheitsmassnahmen nach Artikel 8.17

2 Für mikrobiologische Laboranalysen von Boden-, Wasser-, Luft- oder Lebensmittelproben genügen die Sicherheitsmassnahmen der Sicherheitsstufe 1, die für alle übrigen Labortätigkeiten gelten. Ist mit einer deutlich erhöhten Gefährdung zu rechnen, so sind weitergehende, besondere Sicherheitsmassnahmen zu treffen.

3 Für Laboranalysen von klinischem Material (medizinisch-mikrobiologische und veterinärmedizinische Diagnostik) genügen die Sicherheitsmassnahmen der Sicherheitsstufe 2, die für alle übrigen Labortätigkeiten gelten. Besteht aufgrund der Risikobewertung kein Verdacht, dass Mikroorganismen der Gruppe 3 oder 4 vorliegen und erfolgt der Nachweis ohne Vermehrung oder bei geringer Anreicherung ausschliesslich in geschlossenen Gefässen, kann die Analyse in Stufe 1 durchgeführt werden.

4 Werden pathogene Mikroorganismen der Gruppe 3 zu diagnostischen Zwecken angereichert und ist dadurch mit einer erhöhten Gefährdung zu rechnen, so sind die Sicherheitsmassnahmen der Sicherheitsstufe 3 zu treffen, die für alle übrigen Labortätigkeiten gelten. Beim Umgang mit Mikroorganismen der Gruppe 4 zu diagnostischen Zwecken sind die Sicherheitsmassnahmen der Sicherheitsstufe 4 zu treffen.

15 Fassung gemäss Anhang 5 Ziff. 10 der Einschliessungsverordnung vom 9. Mai 2012, in Kraft seit 1. Juni 2012 (AS 2012 2777).

16 SR 814.912

17 Fassung gemäss Anhang Ziff. 1 der V vom 27. Sept. 2019, in Kraft seit 1. Jan. 2020 (AS 2019 3131).

3. Abschnitt: Information und Anleitung

Art. 10 Information der zuständigen Behörde

1 Der Arbeitgeber muss die zuständige Behörde auf Verlangen informieren über:

a.
die Ergebnisse der Gefahrenermittlung und der Risikobewertung;
b.
die Tätigkeiten, bei denen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Mikro­organismen umgegangen sind oder Mikroorganismen ausgesetzt waren;
c.
die Zahl der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer;
d.
die Namen der Projektleiterin oder des Projektleiters und der Spezialistin oder des Spezialisten der Arbeitssicherheit;
e.
die Arbeitsverfahren und -methoden, soweit sie die Sicherheit und Gesund­heit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betreffen, und die getroffenen Schutz- und Vorbeugungsmassnahmen;
f.
den Notfallplan zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor einer Exposition gegenüber Mikroorganismen der Gruppen 2–4, die sich aus einem Versagen der physikalischen Schranken ergeben könnte;
g.
die Verfahren zur Unschädlichmachung oder zur Vernichtung von Mikro­organismen an kontaminierten Schutzausrüstungen, Arbeitsgeräten und in den Abfällen.

2 …18

18 Aufgehoben durch Ziff. I der V vom 9. Mai 2012, mit Wirkung seit 1. Juni 2012 (AS 2012 2821).

Art. 11 Anleitung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

1 Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen vor der Aufnahme einer Tätigkeit, bei der sie Umgang mit Mikroorganismen haben oder Mikroorganismen ausgesetzt sein könnten, über die damit verbundenen Gefahren informiert und über die Massnahmen zu deren Verhütung angeleitet werden. Insbesondere ist auf besondere Gefahren für bestimmte Personengruppen wie schwangere Frauen, stillende Mütter, jugendliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder Personen mit Immunschwäche aufmerksam zu machen. Information und Anleitung müssen regelmässig wiederholt und nötigenfalls den veränderten Risiken angepasst werden.19

2 Der Arbeitgeber muss am Arbeitsplatz schriftliche Anweisungen bereitstellen und nötigenfalls durch Aushang bekannt geben, die das Vorgehen festlegen:

a.
bei einem Unfall oder Zwischenfall beim Umgang mit einem Mikroorganis­mus der Gruppen 2–4;
b.
beim Umgang mit einem Mikroorganismus der Gruppe 3 oder 4.

19 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 9. Mai 2012, in Kraft seit 1. Juni 2012 (AS 2012 2821).

Art. 12 Information der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in besonderen Fällen

1 Der Arbeitgeber muss die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder ihre Vertre­tung im Betrieb:

a.
über Unfälle oder Zwischenfälle informieren, bei denen Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer Mikroorganismen der Gruppe 2 ausgesetzt waren, wenn die Möglichkeit besteht, dass ein solches Ereignis zu einer Berufskrankheit führen kann;
b.
unverzüglich über jeden Unfall oder Zwischenfall informieren, der mögli­cherweise zur Ausbreitung eines Mikroorganismus der Gruppe 3 oder 4 im Betrieb geführt hat;
c.
so schnell wie möglich über die Ursachen sowie über bereits getroffene oder noch zu treffende Abhilfemassnahmen informieren.

2 Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder ihre Vertretung im Betrieb haben Zugang zu allen nicht personenbezogenen Informationen über den sicheren Umgang mit Mikroorganismen.

3 Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern oder ihrer Ver­tretung im Betrieb auf Antrag die Informationen nach Artikel 10 Absatz 1 zur Ver­fügung stellen.

Art. 13 Verzeichnis betroffener Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

1 Der Arbeitgeber muss ein Verzeichnis führen, in dem aufzuführen sind:

a.
die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Umgang mit Mikroorganis­men der Gruppen 2–4 haben;
b.
die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Mikroorganismen der Gruppe 3 oder 4 ausgesetzt sind oder waren;
c.
die Art der Arbeit und nach Möglichkeit der betreffende Mikroorganismus;
d.
Unfälle und Zwischenfälle mit Mikroorganismen.

2 Er muss das Verzeichnis während mindestens zehn Jahren nach dem letzten Umgang mit Mikroorganismen bzw. nach der letzten bekannten Exposition gegenüber Mikroorganismen aufbewahren.

3 Während eines entsprechend längeren Zeitraums, höchstens jedoch während 40 Jahren nach dem letzten Umgang bzw. nach der letzten bekannten Exposition ist das Verzeichnis aufzubewahren, wenn:

a.
Mikroorganismen im Spiel sind, die bekanntermassen dauerhafte oder latente Infektionen hervorrufen können;
b.
eine durch Mikroorganismen hervorgerufene Infektion nach dem gegenwär­tigen Erkenntnisstand erst diagnostiziert werden kann, wenn viele Jahre später eine Krankheit ausbricht;
c.
eine allfällige Infektion schwer wiegende Langzeitfolgen haben kann;
d.
mit einer besonders langen Inkubationszeit vor dem Ausbruch einer allfäl­ligen Krankheit zu rechnen ist;
e.
eine allfällige Krankheit Folgen haben kann, die trotz Behandlung über län­gere Zeit hinweg gelegentlich wieder auftreten.

4 Stellt der Betrieb seine Tätigkeit ein, so ist das Verzeichnis der SUVA zu über­geben.

5 Zugang zu diesem Verzeichnis haben:

a.
die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hinsichtlich aller Angaben, die sie persönlich betreffen;
b.
die in Artikel 14 Absatz 2 aufgeführten Ärztinnen und Ärzte, die Durchführ­ungsorgane der Unfallverhütung und die Unfallversicherer, um Unfällen vorbeugen oder Versicherungsfälle abklären zu können.

4. Abschnitt: Gesundheitsüberwachung

Art. 14

1 Bei der Gefahrenermittlung und der Risikobewertung muss der Arbeitgeber prüfen oder prüfen lassen, für welche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besondere arbeitsmedizinische Schutzmassnahmen erforderlich sind. Sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen einen Mikroorganismus, mit dem sie umgehen oder dem sie ausgesetzt sein könnten, noch nicht immun, so müssen sie auf Veranlassung und Kosten des Arbeitgebers eine wirksame Impfung erhalten, wo dies möglich und sinnvoll ist.

2 Für jede Arbeitnehmerin und jeden Arbeitnehmer, für die oder den besondere arbeitsmedizinische Schutzmassnahmen erforderlich sind, muss der Arbeitgeber ver­anlassen, dass der beigezogene Arbeitsarzt, der Betriebs- oder ein Vertrauensarzt eine besondere Gesundheitsakte führt.

3 In der Gesundheitsakte werden folgende Daten festgehalten:

a.
Gründe für die besonderen arbeitsmedizinischen Schutzmassnahmen;
b.
Untersuchungen zum Immunitätsstatus der Arbeitnehmerin oder des Arbeit­nehmers;
c.
durchgeführte Impfungen;
d.
medizinische Untersuchungsergebnisse bei Unfällen und Zwischenfällen oder anderen Expositionen gegenüber Mikroorganismen sowie bei begrün­detem Verdacht auf eine bei der beruflichen Tätigkeit erworbene Infektions­krankheit.

4 Für die Aufbewahrung der Gesundheitsakte gilt Artikel 13 Absätze 2 und 3 sinn­gemäss.

5 Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind über alle medizinischen Kont­rollen im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit zu informieren; sie sind anzuleiten, wie sie sich beim Auftreten bestimmter Krankheitssymptome zu verhalten haben.

6 Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Zugang zu ihrer Gesundheitsakte und allen Unterlagen über die sie betreffenden arbeitsmedizinischen Massnahmen.

4a. Abschnitt:20 Gesundheitsschutz bei Mutterschaft und Jugendarbeitsschutz

20 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 9. Mai 2012, in Kraft seit 1. Juni 2012 (AS 2012 2821).


Art. 14a

1 Der Arbeitgeber muss bei der Gefahrenermittlung und der Risikobewertung sowie der Festlegung der Sicherheitsmassnahmen zum Schutz von schwangeren Frauen und stillenden Mütter die Artikel 62–66 der Verordnung 1 vom 10. Mai 200021 zum Arbeitsgesetz befolgen.

2 Er muss bei der Gefahrenermittlung und Risikobewertung zum Schutz von jugendlichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Artikel 4 der Jugendarbeitsschutz­verordnung vom 28. September 200722 befolgen.

5. Abschnitt: Anmeldung des Umgangs mit Mikroorganismen

Art. 15

1 Der Arbeitgeber muss den Umgang mit Mikroorganismen, der in den Sicherheitsstufen 2–4 stattzufinden hat, der Kontaktstelle Biotechnologie des Bundes (Art. 17 ESV23) anmelden. Tätigkeiten mit Mikroorganismen, die in den Sicherheitsstufen
2–4 durchzuführen sind, müssen spätestens mit deren Beginn angemeldet werden. Vorbehalten bleibt die Bewilligung nach Artikel 10 ESV.24

2 Eine Neuanmeldung ist erforderlich, wenn an den Arbeitsprozessen oder ‑verfah­ren wesentliche Änderungen, die für die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer von Bedeutung sind, vorgenommen werden.

3 Die Anmeldung kann mit der Meldung oder dem Bewilligungsgesuch nach den Artikeln 9 und 10 ESV kombiniert werden und muss folgende Angaben enthalten:25

a.
Name und Adresse des Betriebs;
b.
Name und Befähigung der für die Sicherheit und Gesundheit am Arbeits­platz beauftragten Person;
c.
die Art des Mikroorganismus;
d.
die Ergebnisse der Gefahrenermittlung und der Risikobewertung;
e.
die geplanten Schutzmassnahmen.

4 Die Angaben nach Absatz 3 können direkt in die von der Kontaktstelle Biotechnologie des Bundes zur Verfügung gestellte elektronische Datenbank eingegeben werden.26

23 SR 814.912

24 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 9. Mai 2012, in Kraft seit 1. Juni 2012 (AS 2012 2821).

25 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 9. Mai 2012, in Kraft seit 1. Juni 2012 (AS 2012 2821).

26 Eingefügt durch Ziff. I der V vom 9. Mai 2012, in Kraft seit 1. Juni 2012 (AS 2012 2821).

3. Kapitel: Pflichten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

Art. 16

1 Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen die Weisungen des Arbeitgebers in Bezug auf die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz befolgen und die allgemein anerkannten Sicherheitsregeln beachten. Sie müssen insbesondere die persönlichen Schutzausrüstungen benützen und dürfen die Wirksamkeit der Sicherheitseinrichtungen nicht beeinträchtigen.27

2 Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen jeden Unfall oder Zwischenfall, bei dem sie Mikroorganismen ausgesetzt sind, unverzüglich der für die Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz beauftragten Person melden.

27 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 9. Mai 2012, in Kraft seit 1. Juni 2012 (AS 2012 2821).

4. Kapitel: Verfahren und Rechtspflege

5. Kapitel: Schlussbestimmungen

Art. 1930 Übergangsbestimmung zur Änderung vom 9. Mai 2012

Tätigkeiten, die beim Inkrafttreten der Änderung vom 9. Mai 2012 dieser Verordnung ordnungsgemäss gemeldet sind, müssen von der Melderin oder dem Melder innert fünf Jahren seit Inkrafttreten dieser Änderung auf ihre Vereinbarkeit mit derselben überprüft und nur dann neu gemeldet werden, wenn sich aufgrund des neuen Rechts Änderungen für die Tätigkeiten oder die Sicherheitsmassnahmen ergeben.

30 Fassung gemäss Ziff. I der V vom 9. Mai 2012, in Kraft seit 1. Juni 2012 (AS 2012 2821).

Anhang 131

31 Bereinigt gemäss Ziff. II der V vom 9. Mai 2012, in Kraft seit 1. Juni 2012 (AS 2012 2821).

(Art. 2 Bst. b)

Definition gentechnischer Verfahren

1 Als gentechnische Verfahren gelten insbesondere:

a.
Nukleinsäuren-Rekombinationstechniken, bei denen durch die Insertion von Nukleinsäuremolekülen, die ausserhalb eines Mikroorganismus erzeugt wurden, in Viren, bakteriellen Plasmiden oder anderen Vektorsystemen neue Kombinationen von genetischem Material gebildet und in einen Empfängerorganismus eingesetzt werden, in dem sie unter natürlichen Bedingungen nicht vorkommen, aber vermehrungsfähig sind;
b.
Verfahren, bei denen in einen Mikroorganismus direkt genetisches Material eingeführt wird, das ausserhalb des Mikroorganismus hergestellt wurde, ins­besondere Mikroinjektion, Makroinjektion und Mikroverkapselung, Elek­troporation oder Verwendung von Mikroprojektilen;
c.
Zellfusion oder Hybridisierungsverfahren, bei denen Zellen mit neuen Kom­binationen von genetischem Material durch die Verschmelzung zweier oder mehrerer Zellen mit Hilfe von Methoden erzeugt werden, die unter natür­lichen Bedingungen nicht vorkommen.

2 Den gentechnischen Verfahren gleichgestellt ist die Selbstklonierung pathogener Mikroorganismen. Diese besteht in der Entfernung von Nukleinsäuresequenzen aus einer Zelle eines Mikroorganismus und einer vollständigen oder teilweisen Insertion dieser Nukleinsäuren oder eines synthetischen Äquivalents (allenfalls nach einer vorausgehenden enzymatischen oder mechanischen Behandlung) in Zellen derselben Art oder in Zellen, die phylogenetisch eng verwandt sind und untereinander gene­tisches Material über natürliche physiologische Prozesse austauschen können.

3 Nicht als gentechnische Verfahren gelten die Selbstklonierung nichtpathogener Mikroorganismen sowie die nachstehenden Verfahren, wenn sie nicht mit dem Ein­satz von rekombinanten Nukleinsäuremolekülen oder von gentechnisch veränderten Mikroorganismen verbunden sind:

a.
Mutagenese;
b.
Zell- und Protoplastenfusion von prokaryontischen Mikroorganismen, die untereinander genetisches Material über natürliche physiologische Prozesse austauschen können;
c.
Zell- und Protoplastenfusion von eukaryontischen Zellen, einschliesslich der Erzeugung von Hybridomen-Zellen und der Fusion von Pflanzenzellen;
d.
In-vitro-Befruchtung;
e.
natürliche Prozesse wie Konjugation, Transduktion oder Transformation;
f.
Veränderung des Ploidie-Niveaus, einschliesslich der Aneuploidie, und Elimination von Chromosomen.

Anhang 2

Anhang 2.132

32 Bereinigt gemäss Ziff. II der V vom 9. Mai 2012, in Kraft seit 1. Juni 2012 (AS 2012 2821).

(Art. 4 Abs. 1)

Einteilung der Mikroorganismen in Gruppen

1 Mikroorganismen sind auf Grund ihrer schädigenden Eigenschaften für die Arbeit­nehmerin und den Arbeitnehmer, namentlich nach den folgenden Kriterien, in eine Gruppe einzuteilen:

a.
Pathogenität und Letalität;
b.
Virulenz beziehungsweise Attenuation;
c.
Infektionsmodus, Infektionsdosis und Infektionswege;
d.
Abgabe von nichtzellulären Einheiten wie Toxinen und Allergenen;
e.
reproduktive Zyklen, Überlebensstrukturen;
f.
Wirtsspektrum;
g.
Grad der natürlichen oder erworbenen Immunität des Wirtes;
h.
Muster der Resistenz beziehungsweise Empfindlichkeit gegenüber Antibio­tika sowie anderen spezifischen Agenzien;
i.
Verfügbarkeit geeigneter Prophylaxe und geeigneter Therapien;
j.
Vorhandensein onkogener Nukleinsäuresequenzen;
jbis.
Mutagenität;
k.
Virusproduktion und Virusausscheidung bei Zelllinien;
l.
parasitäre Eigenschaften;
lbis.
potenzielle Kontamination mit pathogenen Mikroorganismen;
m.
bei zu transferierenden Nukleinsäuresequenzen: Funktion der gentechnischen Veränderungen, Reinheits- und Charakterisierungsgrad;
n.
Eigenschaften von Vektoren, insbesondere betreffend Replikationsfähigkeit, Wirtsspezifität, Vorhandensein eines Transfersystems, Mobilisierbarkeit und eigenständige Infektiosität;
o.
Stabilität und Expression rekombinanten genetischen Materials;
p.
Mobilisierbarkeit rekombinanten genetischen Materials;
q.
Selektionsdruck für rekombinantes genetisches Material;
r.
Verfügbarkeit geeigneter Techniken, um den betroffenen Mikroorganismus zu erfassen, nachzuweisen, zu identifizieren, zu überwachen und zu bekämpfen.
s.
Regenerationsfähigkeit eukaryontischer Zellen zu höheren Organismen.

2 Mikroorganismen sind in die Gruppe 1 (kein oder ein vernachlässigbar kleines Risiko) einzuteilen, wenn:

a.
sie für den Menschen nicht pathogen sind;
b.
verwendete Vektoren zusammen mit den Empfängerorganismen biologische Sicherheitssysteme sind;
c.
Genomabschnitte frei von Sequenzen mit dem Risiko einer Schädigung sind;
d.
sie keine nichtzellulären Einheiten der Gruppen 2–4 abgeben;
e.
gentechnisch veränderte eukaryontische Zellen nicht spontan zu höheren Organismen regenerieren können.

3 Mikroorganismen sind in die Gruppe 2 (geringes Risiko) einzuteilen, wenn:

a.
sie für den Menschen pathogen sind;
b.
die Übertragungswege gut kontrollierbar sind;
c.
Krankheiten prophylaktisch oder therapeutisch mit einfachen Massnahmen kontrollierbar sind;
d.
Genomabschnitte frei von Sequenzen mit höherem Schädigungspotenzial (Gruppen 3 und 4) sind;
e.
sie keine nichtzellulären Einheiten der Gruppen 3 und 4 abgeben;
f.
gentechnisch veränderte eukaryontische Zellen nicht spontan zu höheren Organismen regenerieren können.

4 Mikroorganismen sind in die Gruppe 3 (mässiges Risiko) einzuteilen, wenn:

a.
sie für den Menschen pathogen sind;
b.
zur Auslösung einer Krankheit nur eine kleine Infektionsdosis notwendig ist;
c.
die Übertragung schwer kontrollierbar ist;
d.
die Krankheit schwer, aber entweder durch Therapie oder Impfprophylaxe kontrollierbar ist;
e.
sie hochwirksame Toxine abgeben;
f.
Genomabschnitte frei von Sequenzen mit höherem Schädigungspotenzial (Gruppe 4) sind;
g.
sie keine nichtzellulären Einheiten der Gruppe 4 abgeben.

5 Mikroorganismen sind in die Gruppe 4 (hohes Risiko) einzuteilen, wenn:

a.
sie für den Menschen in hohem Masse pathogen sind;
b.
die verursachte Krankheit weder prophylaktisch noch therapeutisch kontrol­lierbar und die Übertragbarkeit hoch ist.

6 Ist es im Einzelfall unklar, in welche von zwei Gruppen ein Mikroorganismus ein­zuteilen ist, so ist die Gruppe mit dem höheren Gefährdungspotenzial zu wählen.

Anhang 2.233

33 Bereinigt gemäss Ziff. II der V vom 9. Mai 2012, in Kraft seit 1. Juni 2012 (AS 2012 2821).

(Art. 8 Abs. 2 Bst. a)

Biologische Sicherheitssysteme

1 Eine Kombination von Empfängerorganismus und Vektor kann als biologisches Sicherheitssystem anerkannt werden, wenn der Empfängerorganismus und der Vek­tor die nachstehenden Voraussetzungen erfüllen.

2 Der Empfängerorganismus:

a.
muss wissenschaftlich beschrieben und taxonomisch zugeordnet sein;
b.
muss für seine Vermehrung Bedingungen benötigen, die ausserhalb des geschlossenen Systems selten oder nie vorkommen;
c.
darf nicht pathogen sein und keine Eigenschaften aufweisen, die den Men­schen und die Umwelt in anderer Weise gefährden könnten;
d.
darf keinen oder höchstens einen geringen horizontalen Genaustausch mit tier- oder pflanzenassoziierten Organismen aufweisen.

3 Der Vektor:

a.
muss ein weitgehend charakterisiertes genetisches Material aufweisen;
b.
darf nur über eine eng begrenzte Wirtsspezifität verfügen;
c.
darf, insbesondere bei Vektoren für Bakterien und Pilze, kein Transfer­system, nur eine geringe Co-Transfer-Rate und nur eine geringe Mobilisier­barkeit aufweisen;
d.
darf im Falle viraler Vektoren für eukaryontische Zellen keine eigenständige Infektiosität und nur eine geringe Transfer-Rate durch endogene Helferviren aufweisen;
e.
darf im Falle viraler Vektoren durch Rekombination die Infektiosität oder Vermehrungsfähigkeit nicht zurückerlangen können.

Anhang 334

34 Bereinigt gemäss Ziff. II der V vom 9. Mai 2012 (AS 2012 2821) und Anhang Ziff. 1 der V vom 27. Sept. 2019, in Kraft seit 1. Jan. 2020 (AS 2019 3131).

(Art. 9 Abs. 1)

Sicherheitsmassnahmen beim Umgang mit Mikroorganismen


1. Allgemeine Sicherheitsmassnahmen

1 Es sind folgende Grundregeln guter mikrobiologischer Praxis für alle Sicherheits­stufen zu beachten:

a.
Türen und Fenster der Arbeitsräume sind während der Arbeiten zu schlie­ssen.
b.
Das Essen, Trinken, Rauchen, Schnupfen, Schminken und Aufbewahren von Nahrungsmitteln in den Arbeitsräumen ist verboten.
c.
In den Arbeitsräumen müssen Labormäntel oder andere Schutzkleider getra­gen werden.
d.
Das Mundpipettieren ist verboten.
e.
Spritzen und Kanülen sind nur wenn unbedingt nötig zu benützen und auf sichere Art zu entsorgen.
f.
Bei allen Manipulationen ist darauf zu achten, dass keine vermeidbaren Aerosole auftreten.
g.
Die Hände müssen nach Beendigung eines Arbeitsgangs oder beim Verlas­sen der Arbeitsräume sorgfältig gewaschen werden.
h.
Die Arbeitsräume sind aufgeräumt und sauber zu halten; nur die tatsächlich benötigten Materialien und Geräte sind bereitzuhalten; Vorräte sind nur in dafür bereitgestellten Räumen oder Schränken zu lagern.
i.
Die Identität der benutzten Mikroorganismen ist regelmässig zu überprüfen.
j.
Beim Umgang mit Mikroorganismen sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Aufnahme der Tätigkeit und danach mindestens einmal jährlich mündlich und arbeitsplatzbezogen zu unterweisen.
k.
In der Mikrobiologie unerfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen über die möglichen Gefahren informiert, sorgfältig angeleitet und überwacht werden.
l.
Ungeziefer muss regelmässig bekämpft werden.

2 Es muss mindestens eine Person für die Überwachung der biologischen Sicherheit eingesetzt werden; diese muss sowohl in fachlicher Hinsicht als auch in Sicherheits­fragen ausreichende Kenntnisse zur Erfüllung der Aufgabe haben.

2. Besondere Sicherheitsmassnahmen

Die nachstehende Tabelle bezeichnet die besonderen Sicherheitsmassnahmen, die beim Umgang mit Mikroorganismen auf der jeweiligen Sicherheitsstufe getroffen werden müssen. Diese besonderen Sicherheitsmassnahmen müssen dem im Einzelfall ermittelten Risiko Rechnung tragen und gelten sinngemäss für Situationen wie den innerbetrieblichen Transport und die Lagerung. Der Schutz der Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer muss durch geeignete technische Installationen, persön­liche Schutzausrüstungen und eine geeignete Arbeitsorganisation erreicht werden.

Tabelle

Legende:

P bedeutet, dass die Massnahme für Produktionstätigkeiten erforderlich ist.

L bedeutet, dass die Massnahme für alle Labortätigkeiten erforderlich ist.

G bedeutet, dass die Massnahme für Tätigkeiten in Gewächshäusern erforderlich ist.

V bedeutet, dass die Massnahme für Tätigkeiten in Anlagen mit Tieren erforderlich ist.

[ ] bedeutet, dass die Massnahme für den in Klammern gesetzten Tätigkeitsbereich erforderlich ist, dass jedoch je nach Resultat der Risikobewertung Abweichungen von der Massnahme möglich sind.

– bedeutet, dass die entsprechende Massnahme nicht erforderlich ist.

MSW II/III bedeutet mikrobiologische Sicherheitswerkbank der Klasse II/III.

HEPA-Filter bedeutet High Efficiency Particulate Air Filter (Hochleistungs-Schwebstofffilter).

Nr.

Sicherheitsmassnahmen

Sicherheitsstufe

1

2

3

4

Gebäude

1

Arbeitsbereich von übrigen Bereichen räumlich abgetrennt

–  –

P  –

P  L

G

V

P  L

G

V

2

Zugang zum Arbeitsbereich eingeschränkt

–  –

P  L

G

V

P  L

G

V

P  L

G

V

3

Tierhaltungsräume durch verriegelbare Türen abgetrennt

–  –

V

nur in Anlagen mit Wirbel­tieren

–  –

V

nur in Anlagen mit Wirbel­tieren

–  –

V

–  –

V

4

Der Zugang zum Arbeitsbereich muss durch eine Schleuse (getrennter Raum) erfolgen.

Die innere Seite der Schleuse muss von der äusseren Seite durch Umkleideeinrichtungen, und vorzugsweise durch abschliessbare Türen, getrennt sein.

–  –

–  –

[P]  [L]

[G]

[V]

P  L

G

V

Schleusentüren gegenseitig
verriegelt

5

Duscheinrichtungen in Schleuse

–  –

–  –

[P]  [L]

[G]

[V]

[P]  [L]

[G]

[V]

6

Einrichtung zur persönlichen Dekontamination im Arbeitsbereich

–  –

P  L

G

V

P  L

G

V

P  L

G

V

7

Sichtfenster oder andere Vorrichtung zur Beobachtung des Arbeitsbereichs

–  –

–  –

[P]  [L]

[G]

[V]

P  L

G

V

8

Warnzeichen Biogefährdung

–  –

P  L

G

V

P  L

G

V

P  L

G

V

9

Räume mit leicht abwasch­baren Böden

P  L

V

P  L

G

V

P  L

G

V

P  L

G

V

10

Räume mit leicht abwasch­baren Wänden

–  –

–  –

P  L

G

V

P  L

G

V

11

Arbeitsbereich so abgedichtet, dass Begasung möglich ist

–  –

[P]  –

[P]  [L]

[G]

[V]

P  L

G

V

12

Atmosphärischer Unterdruck des Arbeitsbereichs gegenüber der unmittelbaren Umgebung

–  –

–  –

[P]  [L]

[G]

[V]

P  L

G

V

13

Zuluft zum Arbeitsbereich via HEPA-Filter

–  –

–  –

[P]  –

[P]  [L]

[G]

[V]

14

Abluft des Arbeitsbereichs via HEPA-Filter

–  –

–  –

P  [L]

[G]

[V]

P  L

G

V

Für Viren, die nicht durch HEPA-Filter zurückgehalten werden, sind zusätzliche Massnahmen erforderlich.

15

Mikroorganismen müssen in einem primären geschlossenen System gehalten werden, das den Prozess physikalisch ganz vom übrigen Arbeitsbereich abtrennt. Dieses primäre geschlossene System muss vollständig innerhalb des Arbeitsbereichs sein.

–  –

P  –

P  –

P  –

16

Der Arbeitsbereich muss so gebaut sein, dass er ein allfälliges Austreten des gesamten Inhalts des primären geschlossenen Systems auffangen und zurückhalten kann.

P  –

P  –

P  –

P  –

17

Anforderungen an die Abluft aus dem primären geschlossenen System

–  –

P  –

Entweichen von Mikroorganismen minimieren

P  –

Entweichen von Mikroorganismen verhindern

P  –

Entweichen on Mikroorganismen verhindern

18

Der Arbeitsbereich muss so belüftet sein, dass die Belastung der Luft mit Mikroorganismen minimiert wird.

–  –

[P]  –

[P]  –

P  –

Ausrüstung

19

Oberflächen gegen Wasser, Säuren, Laugen, Lösungs-, Desinfektions- und Dekontaminationsmittel resistent

P  L

G

V

Werkbank

P  L

G

V

Werkbank

P  L

G

V

Werkbank und Fussboden

P  L

G

V

Werkbank, Fussboden, Decke und Wände

20

Arbeitsbereich mit kompletter, eigener Ausrüstung

–  –

–  –

[P]  [L]

[G]

[V]

P  L

G

V

21

Mikrobiologische Sicherheitswerkbank (MSW), falls mit Mikroorganismen gearbeitet wird

–  –

[P]  [L]

[G]

[V]

P  L

G

V

P  L

G

V

MSW III inklusive Ein- und Aus­schleusesystem oder MSW II mit Vollschutz;

bei Tätigkeiten mit Tier- und Pflanzenpatho­genen kann je nach Resultat der Risiko­bewertung auf den Vollschutz verzichtet werden.

22

Massnahmen gegen die Verbreitung von Aerosolen

–  –

P  L

G

V

Aerosolverbreitung minimieren

P  L

G

V

Aerosolverbreitung verhindern

P  L

G

V

Aerosolverbreitung verhindern

23

24

Für die jeweilige Tierart geeignete Haltungssysteme (z.B. Käfige), die leicht zu dekontaminieren sind

– –

V

waschbar

– –

V

dekontaminierbar

– –

V

dekontaminierbar

– –

V

dekontaminierbar

25

Filter an den Isolatoren (Isolator = durchsichtiger Behälter, in dem das Tier inner- oder ausserhalb eines Käfigs aufbewahrt wird) oder isolierte Räume (für grosse Tiere)

–  –

–  –

[V]

–  –

V

–  –

V

26

Anforderungen an Dichtungen von primären geschlossenen Systemen

–  –

P  –

Entweichen von Mikro­organismen minimieren

P  –

Entweichen von Mikro­organismen verhindern

P  –

Entweichen von Mikro­organismen verhindern

Arbeitsorganisation

27

Geeignete Bekleidung für den Arbeitsbereich

P  L

G

V

für Labortätigkeiten: Labor­bekleidung

P  L

G

V

für Labortätigkeiten: Labor­bekleidung

P  L

G

V

geeignete Schutzkleidung und gegebenenfalls Schuhe

P  L

G

V

vollständiger Kleider- und Schuhwechsel vor dem Betreten bzw. Verlassen

28

Persönliche Schutzausrüstungen

Personenbezogene Schutzmassnahmen sind je nach Tätigkeit und verwendeten Mikroorganismen zu treffen.

P  L

G

V

P  L

G

V

P  L

G

V

P  L

G

V

29

Regelmässige Desinfektion der Arbeitsplätze

–  –

P  L

G

V

P  L

G

V

P  L

G

V

30

Inaktivierung der Mikroorganismen im Ausfluss von Abwaschbecken, Leitungen und Duschen

–  –

–  –

[P]  [L]

[G]

[V]

P  L

G

V

31

Austritt von kontaminiertem Ablaufwasser

–  –

[G]

minimieren

–  –

[G]

minimieren

–  –

G

verhindern

–  –

G

verhindern

32

Entweichen von reproduktiven Pflanzenteilen über die Luft oder über Vektoren

–  –

[G]

minimieren

–  –

[G]

minimieren

–  –

G

verhindern

–  –

G

verhindern

33

34

Inaktivierung grosser Mengen Kulturmedium vor der Entnahme aus den Kulturgefässen

–  –

P  –

P  –

P  –

35

Entweichen von Mikroorganismen während des inner­betrieblichen Transports zwischen verschiedenen Arbeitsbereichen minimieren bzw. verhindern

P L

G

V

minimieren

P L

G

V

minimieren

P L

G

V

verhindern

P L

G

V

verhindern

36

Inaktivierung der Mikroorganismen in kontaminiertem Material, im Abfall und an kontaminierten Geräten, von Tieren und Pflanzen sowie Prozessflüssigkeit bei Produktionstätigkeiten «P»

P  L

G

V

Unschädliche Entsorgung; Inaktivierung von gentechnisch veränderten Mikro­organismen vor Ort oder Entsorgung als Sonderabfall;

Inaktivierungsmethoden sind zulässig, wenn deren Wirksamkeit nach­gewiesen ist.

[P]  [L]

[G]

[V]

Autoklavierung im Gebäude, kann ausserhalb erfolgen, je nach Resultat der Risikobewertung;

andere gleich­wertige Inak­tivierungsmethoden sind zulässig, wenn deren Wirksamkeit nach­gewiesen ist;

als Sonderabfall entsorgt werden können:

a. kontami-niertes Material, Tierkadaver, diagnostische Proben;

b. feste Kul­turen, je nach Resultat der Risikobewertung

[P]  [L]

[G]

[V]

Autoklavierung im Arbeits­bereich, kann anderswo im Gebäude erfolgen, je nach Resultat der Risikobewertung;

andere gleich­wertige Inak­tivierungsmethoden sind zulässig, wenn sie validiert sind;

der Autoklav kann weggelassen werden, je nach Resul­tat der Risiko­bewertung.

P  L

G

V

Inaktivierung und Durchreicheauto-klav im Arbeitsbereich