221.213.15

Bundesgesetz
über Rahmenmietverträge
und deren Allgemeinverbindlicherklärung

vom 23. Juni 1995 (Stand am 1. April 1996)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,

gestützt auf Artikel 34septies Absatz 2 der Bundesverfassung1,
nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 27. September 19932,

beschliesst:

1. Abschnitt: Rahmenmietverträge

Art. 1 Begriff

1 Der Rahmenmietvertrag im Sinne dieses Gesetzes ist eine Vereinbarung, durch die Vermieter- und Mieterverbände gemeinsam Musterbestimmungen über Abschluss, Inhalt und Beendigung der einzelnen Mietverhältnisse über Wohn- und Geschäfts­räume aufstellen.

2 Der Rahmenmietvertrag kann auch andere Bestimmungen enthalten, soweit sie das Verhältnis zwischen Vermietenden und Mietenden betreffen. Insbesondere kann er Bestimmungen über die gemeinsame Einrichtung von Auskunfts- und Beratungs­stellen enthalten.

3 Ein Rahmenmietvertrag kann abgeschlossen werden:

a.
für die ganze Schweiz;
b.
für das Gebiet eines oder mehrerer Kantone;
c.
für Regionen, die mindestens 30 000 Wohnungen oder 10 000 Geschäfts­räume umfassen.
Art. 2 Form

Ein Rahmenmietvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der schriftlichen Form. Er muss in den Amtssprachen des örtlichen Geltungsbereichs abgefasst sein.

Art. 3 Abweichung von zwingenden Vorschriften

1 Der Bundesrat kann auf gemeinsamen Antrag der vertragsschliessenden Parteien Abweichungen von zwingenden Bestimmungen des Mietrechtes bewilligen, wenn der Rahmenmietvertrag:

a.
von repräsentativen Verbänden oder Organisationen, die Vermieter- oder Mie­terinteressen vertreten, abgeschlossen ist;
b.
den Mietenden einen mindestens gleichwertigen Schutz vor missbräuch­lichen Mietzinsen, anderen missbräuchlichen Forderungen und vor Kündi­gungen bietet;
c.
dem übrigen zwingenden Recht von Bund und Kantonen nicht widerspricht.

2 Repräsentativ sind Verbände und Organisationen, die:

a.
seit mindestens zehn Jahren gemäss ihren Statuten den Hauptzweck haben, Vermieter- oder Mieterinteressen zu vertreten; und
b.
mindestens 5 Prozent der Mietenden oder Vermietenden des Geltungsberei­ches vertreten oder deren Mitglieder mindestens 10 Prozent der Einzelmiet­verträge des Geltungsbereiches direkt oder indirekt zeichnen.

3 Der Rahmenmietvertrag darf jedoch von folgenden Bestimmungen des Obligatio­nenrechtes3 nicht abweichen:

a.
Artikel 266l–266o (Form der Kündigung);
b.
Artikel 269 und 269d (Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen und anderen missbräuchlichen Forderungen);
c.
Artikel 270e (Weitergeltung des Vertrags während des Anfechtungsverfah­rens);
d.
Artikel 271, 273 Absätze 1, 4 und 5 und Artikel 273a Absatz 1 (Schutz vor missbräuchlichen Kündigungen);
e.
Artikel 274–274g (Behörden und Verfahren).

4 Ferner darf der Rahmenmietvertrag:

a.
nicht von Artikel 270 des Obligationenrechts (Anfechtung des Anfangsmiet­zinses) abweichen, wenn der oder die betroffenen Kantone die Verwendung des Formulars nach Artikel 269d obligatorisch erklärt haben (Art. 270 Abs. 2);
b.
das Recht der Mietenden nicht einschränken, die Herabsetzung von Mietzin­sen zu verlangen (Art. 270a) und die Erhöhung von Mietzinsen anzufechten (Art. 270b).

5 Der Bundesrat regelt das Verfahren zur Erteilung der Bewilligung. Im Rahmen dieses Verfahrens sind die betroffenen Kantone anzuhören.

2. Abschnitt: Allgemeinverbindlicherklärung

Art. 4 Allgemeines

1 Rahmenmietverträge können auf übereinstimmenden Antrag der Vertragsparteien allgemeinverbindlich erklärt werden. Die Allgemeinverbindlicherklärung erfolgt befristet oder unbefristet.

2 Bestimmungen über die Beurteilung von Streitigkeiten durch Schiedsgerichte kön­nen nicht allgemeinverbindlich erklärt werden.

Art. 5 Wirkung

1 Allgemeinverbindliche Bestimmungen des Rahmenmietvertrages sind für alle Mietverhältnisse des örtlichen und sachlichen Geltungsbereiches zwingend.

2 Bestimmungen in Einzelmietverträgen, die allgemeinverbindlichen Bestimmungen widersprechen, sind nichtig, ausser wenn sie für die Mietenden günstiger sind.

3 Die nichtigen Bestimmungen werden durch die Bestimmungen des Rahmenmiet­vertrages ersetzt.

Art. 6 Voraussetzungen

Die Allgemeinverbindlicherklärung darf nur angeordnet werden, wenn:

a.
der Rahmenmietvertrag den Erfordernissen nach Artikel 3 genügt;
b.
die repräsentativen Vermieter- und Mieterorganisationen, die nicht Vertrags­partei sind, zu den Vertragsverhandlungen zugelassen waren und im Rahmen des Anhörungsverfahrens (Art. 10) die Allgemeinver­bind­licher­klä­rung nicht ausdrücklich abgelehnt haben;
c.
die Vertragsparteien nachweisen, dass die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse liegt und insbesondere der Förderung des Wohn­frie­dens dient.
Art. 7 Zuständigkeit

1 Erstreckt sich der Geltungsbereich des Rahmenmietvertrages auf das Gebiet meh­re­rer Kantone, so wird die Allgemeinverbindlichkeit vom Bundesrat erklärt.

2 Beschränkt sich der Geltungsbereich des Rahmenmietvertrages auf das Gebiet eines Kantons oder auf einen Teil desselben, so wird die Allgemeinverbindlichkeit durch den Kanton erklärt.

Art. 8 Antrag

1 Die Vertragsparteien müssen den Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung des Rahmenmietvertrages bei den zuständigen Behörden gemeinsam, schriftlich und begründet stellen. Die Bestimmungen, die allgemeinverbindlich erklärt werden sol­len, sind dem Antrag in den für den örtlichen Geltungsbereich massgebenden Amts­sprachen beizulegen.

2 Der Antrag muss enthalten:

a.
den örtlichen und den sachlichen Geltungsbereich;
b.
den Beginn und die Dauer der Allgemeinverbindlichkeit; und
c.
die erforderlichen Angaben über die Voraussetzungen nach den Artikeln 3 und 6.
Art. 9 Veröffentlichung des Antrages

1 Ist der Antrag nicht offensichtlich unzulässig, so veröffentlicht ihn die zuständige Behörde in den massgebenden Amtssprachen im Schweizerischen Handelsamtsblatt, in den Amtsblättern der betroffenen Kantone und in den Organen der Vermieter- und Mieterorganisationen. Sie weist in den wichtigsten Zeitungen im örtlichen Geltungsbereich des Rahmenmietvertrages durch Anzeige darauf hin.

2 Die Behörde setzt eine Anhörungsfrist von 60 Tagen an.

Art. 10 Anhörung

1 Innerhalb der Anhörungsfrist kann sich jede Person, die von der vorgesehenen All­gemeinverbindlichkeit betroffen ist, zum veröffentlichten Antrag schriftlich äus­sern.

2 Bevor der Bundesrat die Allgemeinverbindlichkeit erklärt, holt er die Stellung­nahme der betroffenen Kantone sowie der interessierten Vermieter- und Mieteror­ga­nisationen ein, welche nicht Vertragspartei sind. Er kann auch weitere, den Ver­mie­ter- oder Mieterorganisationen nahestehende Verbände zur Stellungnahme ein­laden.

3 Bevor der Kanton die Allgemeinverbindlichkeit erklärt, holt er die Stellungnahme der interessierten Vermieter- und Mieterorganisationen ein, welche nicht Vertrags­partei sind. Er kann auch weitere, den Vermieter- oder Mieterorganisationen nahe­stehende Verbände zur Stellungnahme einladen.

Art. 11 Allgemeinverbindlicherklärung; Eröffnung und Veröffentlichung

1 Erachtet die zuständige Behörde die Voraussetzungen zur Allgemeinverbind­licher­klärung als erfüllt, so setzt sie den örtlichen und sachlichen Geltungsbereich fest und bestimmt Beginn und Dauer der Allgemeinverbindlichkeit.

2 Der Entscheid über die Allgemeinverbindlicherklärung wird den Vertragsparteien schriftlich eröffnet.

3 Die Allgemeinverbindlicherklärungen des Bundesrates und die allgemeinverbind­li­chen Bestimmungen werden im Bundesblatt im Wortlaut veröffentlicht. Die Ver­öf­fentlichung ist in den Presseorganen nach Artikel 9 anzuzeigen.

4 Die Allgemeinverbindlicherklärungen des Kantons und die allgemeinverbind­lichen Bestimmungen werden nach ihrer Genehmigung im kantonalen Amtsblatt im Wort­laut veröffentlicht. Die Veröffentlichung ist in den Presseorganen nach Arti­kel 9 anzuzeigen.

Art. 12 Genehmigung der kantonalen Allgemeinverbindlicherklärung

1 Die kantonale Allgemeinverbindlicherklärung bedarf zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung des Bundes. Für das Verfahren gilt Artikel 7a des Verwaltungsorgani­sa­tionsgesetzes4.

2 Die Genehmigung wird erteilt, wenn die Voraussetzungen zur Allgemeinverbind­­licherklärung erfüllt sind und das Verfahren ordnungsgemäss durchgeführt worden ist.

3 Der Entscheid über die Genehmigung ist dem Kanton und den Vertragsparteien schriftlich und mit Begründung zu eröffnen.

4 Erweist sich nachträglich, dass die Voraussetzungen zur Allgemeinverbindlicher­klärung nicht oder nicht mehr erfüllt sind, so widerruft der Bundesrat die Genehmi­gung.

Art. 13 Kosten

1 Die Kosten für die Veröffentlichung des Antrages und des Entscheides sowie all­fällige weitere Kosten gehen zu Lasten der Vertragsparteien; diese haften dafür so­li­darisch.

2 Die zuständige Behörde erlässt nach Abschluss des Verfahrens eine Kostenverfü­gung und verteilt die Kosten auf die Vertragsparteien. Die rechtskräftigen Kosten­verfügungen sind vollstreckbaren gerichtlichen Urteilen im Sinne von Artikel 80 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs5 gleichgestellt.

Art. 14 Ausserkraftsetzung und Dahinfallen

1 Die Allgemeinverbindlicherklärung wird von der zuständigen Behörde ausser Kraft gesetzt:

a.
auf Antrag aller Vertragsparteien;
b.
von Amtes wegen, wenn sich erweist, dass die Voraussetzungen zur Allge­meinverbindlicherklärung nicht oder nicht mehr erfüllt sind;
c.
von Amtes wegen, bei vorzeitiger Auflösung des allgemeinverbindlich erklär­ten Vertrages.

2 Die Allgemeinverbindlicherklärung fällt dahin:

a.
mit Ablauf der Frist, falls die Allgemeinverbindlicherklärung befristet ausge­sprochen wurde;
b.
mit Ablauf der Geltungsdauer des allgemeinverbindlich erklärten Vertrages.

3 Artikel 11 Absätze 2, 3 und 4 ist sinngemäss anwendbar auf die Ausserkraftset­zung und auf das Dahinfallen der Allgemeinverbindlicherklärung.

Art. 15 Änderungen

Die Artikel 6–14 gelten sinngemäss, wenn:

a.
allgemeinverbindlich erklärte Bestimmungen geändert oder neue Bestim­mun­gen allgemeinverbindlich erklärt werden;
b.
die Dauer der Allgemeinverbindlichkeit verlängert oder die Allgemein­ver­bind­licherklärung teilweise ausser Kraft gesetzt wird.

3. Abschnitt: Schlussbestimmungen

Art. 18 Referendum und Inkrafttreten

1 Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

2 Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.

Datum des Inkrafttretens: 1. März 19968

8 BRB vom 31. Jan. 1996 (AS 1996 755).