822.14

Bundesgesetz
über die Information und Mitsprache
der Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer
in den Betrieben

(Mitwirkungsgesetz)

vom 17. Dezember 1993 (Stand am 1. Januar 2011)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,

gestützt auf Artikel 34ter Absatz 1 Buchstabe b der Bundesverfassung1,
nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 24. Februar 19932,

beschliesst:

1 [BS 1 3]

2 BBl 1993 I 805

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen

Art. 1 Geltungsbereich

Dieses Gesetz gilt für alle privaten Betriebe, die ständig Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Schweiz beschäftigen.

Art. 2 Abweichungen

Zugunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kann von diesem Gesetz abgewichen werden. Zu ihren Ungunsten darf von den Artikeln 3, 6, 9, 10, 12 und 14 Absatz 2 Buchstabe b nicht und von den übrigen Bestimmungen nur durch gesamt­arbeitsvertragliche Mitwirkungsordnung abgewichen werden.

Art. 3 Anspruch auf Vertretung

In Betrieben mit mindestens 50 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern können diese aus ihrer Mitte eine oder mehrere Vertretungen bestellen.

2. Abschnitt: Arbeitnehmervertretung

Art. 5 Erstmalige Bestellung

1 Auf Verlangen eines Fünftels der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist durch eine geheime Abstimmung festzustellen, ob die Mehrheit der Stimmenden sich für eine Arbeitnehmervertretung ausspricht. In Betrieben mit mehr als 500 Beschäftig­ten ist die Abstimmung durchzuführen, wenn 100 von ihnen eine solche verlangen.

2 Befürwortet die Mehrheit der Stimmenden eine Arbeitnehmervertretung, so ist die Wahl durchzuführen.

3 Abstimmung und Wahl werden von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite gemein­sam organisiert.

Art. 6 Wahlgrundsätze

Die Arbeitnehmervertretung wird in allgemeiner und freier Wahl bestellt. Auf Ver­langen eines Fünftels der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist diese geheim durchzuführen.

Art. 7 Grösse

1 Die Grösse der Arbeitnehmervertretung wird von der Arbeitgeber- und der Arbeit­nehmerseite gemeinsam festgelegt. Dabei ist der Grösse und der Struktur des Betriebs angemessen Rechnung zu tragen.

2 Die Vertretung besteht aus mindestens drei Personen.

Art. 8 Aufgaben

Die Arbeitnehmervertretung nimmt gegenüber der Arbeitgeberin oder dem Arbeit­geber die gemeinsamen Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wahr. Sie informiert letztere regelmässig über ihre Tätigkeit.

3. Abschnitt: Mitwirkungsrechte

Art. 9 Informationsrecht

1 Die Arbeitnehmervertretung hat Anspruch auf rechtzeitige und umfassende Infor­mation über alle Angelegenheiten, deren Kenntnis Voraussetzung für eine ord­nungsgemässe Erfüllung ihrer Aufgaben ist.

2 Die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber hat die Arbeitnehmervertretung min­de­stens einmal jährlich über die Auswirkungen des Geschäftsganges auf die Be­schäf­tigung und die Beschäftigten zu informieren.

Art. 10 Besondere Mitwirkungsrechte

Der Arbeitnehmervertretung stehen in folgenden Angelegenheiten nach Massgabe der entsprechenden Gesetzgebung besondere Mitwirkungsrechte zu:

a.3
In Fragen der Arbeitssicherheit im Sinne von Artikel 82 des Unfallver­si­che­rungsgesetzes vom 20. März 19814 sowie in Fragen des Arbeitnehmerschutzes im Sinne von Ar­ti­kel 48 des Arbeitsgesetzes vom 13. März 19645;
b.
beim Übergang von Betrieben im Sinne der Artikel 333 und 333a des Obliga­tionenrechts6;
c.
bei Massenentlassungen im Sinne der Artikel 335d–335g des Obligationen­rechts;
d.7
über den Anschluss an eine Einrichtung der beruflichen Vorsorge und die Auflösung eines Anschlussvertrages.

3 Fassung gemäss Art. 64 des Arbeitsgesetzes vom 13. März 1964 in der Fassung des BG vom 20. März 1998, in Kraft seit 1. Aug. 2000 ( AS 2000 1569; BBl 1998 1394).

4 SR 832.20

5 SR 822.11

6 SR 220

7 Eingefügt durch Anhang Ziff. 5 des BG vom 3. Okt. 2003 (1. BVG-Revision), in Kraft seit 1. April 2004 (AS 2004 1677 1700; BBl 2000 2637).

4. Abschnitt: Zusammenarbeit

Art. 11 Grundsatz

1 Die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber und die Arbeitnehmervertretung arbeiten in betrieblichen Angelegenheiten nach dem Grundsatz von Treu und Glauben zusammen.

2 Die Arbeitnehmervertretung wird von Arbeitgeberseite in ihrer Tätigkeit unter­stützt. Die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber hat ihr im notwendigen Umfang Räume, Hilfsmittel und administrative Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen.

Art. 12 Schutz der Mitglieder der Arbeitnehmervertretung

1 Die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber darf die Mitglieder der Arbeitnehmerver­tretung in ihren Aufgaben nicht behindern.

2 Die Mitglieder der Arbeitnehmervertretung dürfen von Arbeitgeberseite während des Mandats und nach dessen Beendigung wegen Ausübung dieser Tätigkeit nicht benachteiligt werden. Dies gilt auch für alle, die sich zur Wahl in eine Arbeitneh­mervertretung stellen.

Art. 14 Verschwiegenheitspflicht

1 Die Mitglieder der Arbeitnehmervertretung sind über betriebliche Angelegenhei­ten, die ihnen in dieser Eigenschaft zur Kenntnis gelangen, zur Verschwiegenheit gegenüber betriebsfremden Personen verpflichtet, sofern diese nicht mit der Wah­rung der Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betraut sind.

2 Die Arbeitgeberin und der Arbeitgeber sowie die Mitglieder der Arbeitnehmerver­tretung sind zur Verschwiegenheit gegenüber allen Personen verpflichtet:

a.
in Angelegenheiten, bei denen dies von Arbeitgeberseite oder von der Arbeit­nehmervertretung aus berechtigtem Interesse ausdrücklich verlangt wird;
b.
in persönlichen Angelegenheiten einzelner Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer.

3 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Betrieben ohne Arbeitnehmervertre­tung, denen gestützt auf Artikel 4 das Informations- und Mitspracherecht direkt zu­steht, sowie betriebsfremde Personen, die nach Absatz 1 informiert werden dürfen, sind ebenfalls zur Verschwiegenheit verpflichtet.

4 Im weitern sind auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Verschwie­genheit verpflichtet, die von der Arbeitnehmervertretung nach Artikel 8 informiert worden sind.

5 Die Pflicht zur Verschwiegenheit bleibt auch nach dem Ausscheiden aus der Arbeitnehmervertretung bestehen.

5. Abschnitt: Rechtspflege

Art. 15

1 Über Streitigkeiten, die sich aus diesem Gesetz oder einer vertraglichen Mitwir­kungsordnung ergeben, entscheiden unter Vorbehalt vertraglicher Schlichtungs- und Schiedsstellen die für Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis zuständigen Instanzen.

2 Klageberechtigt sind die beteiligten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer sowie deren Verbände. Für letztere geht der Anspruch nur auf Feststellung.

3 …8

8 Aufgehoben durch Anhang 1 Ziff. II 27 der Zivilprozessordnung vom 19. Dez. 2008, mit Wirkung seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 1739; BBl 2006 7221).

6. Abschnitt: Schlussbestimmungen

Art. 16

1 Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

2 Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.

Datum des Inkrafttretens: 1. Mai 19949

9 BRB vom 8. April 1994