0.975.276.3

 AS 1990 551

Übersetzung1

Abkommen
zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Türkischen Republik über die gegenseitige Förderung und den Schutz von Investitionen

Abgeschlossen am 3. März 1988

In Kraft getreten durch Notenaustausch am 21. Februar 1990

(Stand am 21. Februar 1990)

1 Übersetzung des französischen Originaltextes.

Präambel

Die Schweizerische Eidgenossenschaft
und
die Türkische Republik

im Folgenden als Vertragsparteien bezeichnet,

vom Wunsche geleitet, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen ihnen auf der Grundlage des internationalen Rechts und des gegenseitigen Vertrauens zu ver­stärken,

in Anerkennung der bedeutenden ergänzenden Rolle der ausländischen Privatinvestitionen im wirtschaftlichen Entwicklungsprozess sowie des Rechts jeder Vertragspartei, diese Rolle zu bestimmen und die Bedingungen festzulegen, unter denen ausländische Investitionen an diesem Prozess teilnehmen können,

in der Erkenntnis, dass ein angemessener zwischenstaatlicher Kapitalfluss nur durch ein beidseitig befriedigendes Investitionsklima geschaffen und erhalten werden kann und die Investoren hiezu beitragen können, indem sie die Souveränität und die Gesetze des Gastlandes achten, dessen Rechtshoheit sie unterworfen sind, und indem sie ferner in einer mit den Politiken und Prioritäten des Gastlandes vereinbaren Weise handeln und sich bemühen, zu dessen Entwicklung wesentlich beizutragen,

im Bestreben, auf dem Gebiet beider Vertragsparteien günstige Voraussetzungen für Kapitalanlagen zu schaffen,

vom Wunsche geleitet, die Zusammenarbeit zwischen Staatsangehörigen und privaten oder öffentlich‑rechtlichen Gesellschaften beider Länder namentlich auf den Gebieten der Technologie, der Industrialisierung und der Produktivität zu verstärken,

in der Erkenntnis, dass der Schutz der Investitionen von Staatsangehörigen und Gesellschaften der beiden Vertragsparteien zur Förderung des wirtschaftlichen Wohlstandes dieser letzteren notwendig ist,

haben folgendes vereinbart:

Art. 1

Für die Zwecke dieses Abkommens:

a)
bezieht sich der Begriff «Investor» auf
i)
natürliche Personen, die gemäss der Gesetzgebung der einen oder der anderen Vertragspartei als ihre Staatsangehörigen betrachtet werden,
ii)
Gesellschaften einschliesslich Körperschaften, geschäftliche Vereinigun­­gen oder andere Organisationen, die nach dem Recht einer der beiden Vertragsparteien inkorporiert, gegründet oder sonstwie rechtmässig organisiert sind, und an denen Staatsangehörige der einen oder anderen Vertragspartei direkt oder indirekt ein überwiegendes Interesse haben;
b)
umfasst der Begriff «Investitionen» alle Arten von Vermögenswerten und Guthaben, insbesondere:
i)
bewegliche und unbewegliche Vermögenswerte sowie sämtliche dinglichen Rechte wie Hypotheken, Pfandrechte und Nutzniessungen,
ii)
Aktien, Anteile und andere Formen der Beteiligung an Gesellschaften,
iii)
Geldforderungen und Ansprüche auf irgendwelche Leistungen, die einen wirtschaftlichen Wert aufweisen und mit einer Investition zusammenhängen,
iv)
gewerbliche Eigentumsrechte (wie Erfindungspatente, Gebrauchsmuster, gewerbliche Muster und Modelle, Fabrik‑ und Handelsmarken, Handelsnamen, Herkunfts‑ und Ursprungsbezeichnungen), Urheberrechte, Know‑how und Goodwill,
v)
durch Gesetz verliehene Rechte, einschliesslich Konzessionen zur Prospektion, Gewinnung und Verwertung von natürlichen Ressourcen, sowie jedes andere Recht, das durch Vertrag oder Entscheid einer Behörde in Anwendung des Gesetzes verliehen wird.
Art. 2

(1)  Jede Vertragspartei fördert auf ihrem Gebiet nach Möglichkeit Investitionen von Investoren der anderen Vertragspartei und lässt diese Investitionen in Übereinstimmung mit ihren Gesetzen und Verordnungen zu.

(2)  Hat eine Vertragspartei eine Investition auf ihrem Gebiet zugelassen, so prüft sie in Übereinstimmung mit ihrer Gesetzgebung wohlwollend alle Gesuche um Bewilligungen, Ermächtigungen und Lizenzen, die für die Durchführung, den Unterhalt oder die Entwicklung der Investition benötigt werden.

Art. 3

(1)  Jede Vertragspartei schützt auf ihrem Gebiet die in Übereinstimmung mit ihrer Gesetzgebung von Investoren der anderen Vertragspartei getätigten Investitionen und unterlässt es, die Verwaltung, den Unterhalt, den Gebrauch, die Nutzniessung, die Erweiterung, den Verkauf und die Liquidation solcher Investitionen durch ungerechtfertigte oder diskriminierende Massnahmen zu behindern.

(2)  Jede Vertragspartei stellt auf ihrem Gebiet eine gerechte und billige Behandlung der Investitionen von Investoren der anderen Vertragspartei sicher. Diese Behandlung darf nicht weniger günstig sein als jene, welche die Vertragspartei Investitionen angedeihen lässt, die auf ihrem Gebiet von eigenen Investoren getätigt wurden, oder als die Behandlung, die Investitionen von Investoren der am meisten begünstigten Nation geniessen, sofern diese Behandlung günstiger ist.

(3)  Die Meistbegünstigung bezieht sich nicht auf Vorteile, welche eine Vertragspartei den Investoren eines Drittstaates aufgrund dessen Mitgliedschaft bei oder Assoziation mit einer Freihandelszone, einer Zollunion oder einem gemeinsamen Markt zukommen lässt.

Art. 4

Jede Vertragspartei, auf deren Gebiet Investoren der anderen Vertragspartei Investitionen getätigt haben, gewährt diesen Investoren den freien Transfer von Zahlungen betreffend diese Investitionen nach und aus ihrem Hoheitsgebiet, namentlich:

a)
von Gewinnen, Dividenden und anderen laufenden Erträgen;
b)
des Kapitals und der Zinsen aus Darlehensverträgen;
c)
von Lizenzgebühren;
d)
von Beträgen, die mit der Verwaltung und technischen Unterstützung zusammenhängen, oder anderen Gebühren;
e)
der Erlöse aus dem Verkauf oder der teilweisen oder vollständigen Liquidation einer Investition.
Art. 5

(1)  Keine Vertragspartei darf direkt oder indirekt Enteignungs‑ oder Verstaat­lichungsmassnahmen oder irgendwelche andere Massnahmen von derselben Art oder derselben Wirkung gegenüber Investitionen treffen, die Investoren der anderen Vertragspartei gehören, es sei denn, solche Massnahmen erfolgten im öffentlichen Interesse, seien nicht diskriminierend und entsprächen den gesetzlichen Vorschriften und vorausgesetzt, es sei eine wertentsprechende und tatsächlich verwertbare Entschädigung vorgesehen. Der Entschädigungsbetrag ist dem berechtigten Investor ohne Verzögerung auszubezahlen und muss frei transferierbar sein.

(2)  Investoren einer Vertragspartei, deren Investitionen als Folge eines Krieges oder eines anderen bewaffneten Konfliktes, eines Aufruhrs, eines Ausnahmezustandes oder einer Rebellion auf dem Gebiet der anderen Vertragspartei zu Schaden gekommen sind, haben Anspruch auf eine Behandlung gemäss Artikel 3, Absatz (2) dieses Abkommens.

Art. 6

Dieses Abkommen ist auch auf Investitionen anwendbar, die vor seiner Inkraftsetzung auf dem Gebiet einer Vertragspartei durch Investoren der anderen Vertragspartei rechtmässig getätigt worden sind.

Art. 7

(1)  Sind Investitionen eines Investors einer Vertragspartei unter einem gesetzlich errichteten System gegen nichtkommerzielle Risiken versichert worden, so wird die gemäss den Bestimmungen einer solchen Versicherung erfolgende Subrogation des Versicherers in die Rechte des Investors von der, anderen Vertragspartei anerkannt.

(2)  Der Versicherer ist nicht berechtigt, irgendwelche anderen Rechte auszuüben als jene, die der Investor auszuüben berechtigt gewesen wäre.

(3)  Meinungsverschiedenheiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor hinsichtlich dieses Artikels sind gemäss den Bestimmungen von Artikel 8 dieses Abkommens beizulegen.

Art. 8

(1)  Für die Zwecke dieses Artikels wird als Investitionsstreitigkeit eine Streitigkeit verstanden, in der eine Verletzung von durch dieses Abkommen verliehenen oder begründeten Rechten und Pflichten behauptet wird.

(2)  Zur Lösung einer Investitionsstreitigkeit zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei finden Beratungen zwischen den betroffenen Parteien statt.

(3)  Führen diese Beratungen innerhalb von zwölf Monaten zu keiner Lösung, wird die Streitigkeit, falls der betroffene Investor schriftlich die Einwilligung erteilt, dem unter dem Washingtoner Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten vom 18. März 19652 errichteten Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten unterbreitet, wobei für den Fall, dass der Investor die Streitigkeit den Gerichten der Vertragspartei, die Streitpartei ist, unterbreitet hat, kein endgültiges Urteil vorliegen darf.

Jede Partei kann das Verfahren einleiten, indem sie entsprechend Artikel 36 des Übereinkommens einen Antrag an den Generalsekretär des Zentrums richtet. Die am Streit beteiligte Vertragspartei kann in keiner Phase des Streitbeilegungs‑ oder Vollstreckungsverfahrens den Einwand erheben, die andere Streitpartei, ob Staatsangehöriger oder Gesellschaft, habe aufgrund eines Versicherungsvertrages gemäss Artikel 7 dieses Abkommens eine Entschädigung für einen Teil oder die Gesamtheit des entstandenen Schadens erhalten.

(4)  Eine Gesellschaft, die gemäss den auf dem Hoheitsgebiet der Vertragspartei geltenden Gesetzen gegründet oder errichtet wurde und die vor dem Entstehen der Streitigkeit von Staatsangehörigen oder Gesellschaften der anderen Vertragspartei beherrscht wird, gilt im Sinne von Artikel 25 (2) (b) des Washingtoner Übereinkommens als Gesellschaft der anderen Vertragspartei.

(5)  Die Durchführung des Schiedsgerichtsverfahrens bei Investitionsstreitigkeiten erfolgt gemäss den Bestimmungen des Übereinkommens zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten und den «Schiedsregeln» des Zentrums.

Art. 9

(1)  Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsparteien bezüglich Aus­­legung oder Anwendung der Bestimmungen dieses Abkommens sind zwischen ihnen durch direkte und echte Verhandlungen beizulegen.

(2)  Falls die beiden Vertragsparteien sich nicht innerhalb von zwölf Monaten nach Ausbruch der Streitigkeit verständigen können, ist sie auf Ersuchen der einen oder anderen Vertragspartei einem aus drei Mitgliedern bestehenden Schiedsgericht zu unterbreiten. Jede Vertragspartei bezeichnet einen Schiedsrichter; diese beiden Schieds­richter ernennen einen Staatsangehörigen eines Drittstaates zum Vorsitzenden.

(3)  Falls eine Vertragspartei ihren Schiedsrichter nicht bezeichnet und der Aufforderung der anderen Vertragspartei, innerhalb von zwei Monaten diese Bezeichnung vorzunehmen, nicht nachkommt, so wird der Schiedsrichter auf Ersuchen der letzteren Vertragspartei vom Präsidenten des Internationalen Gerichtshofes ernannt.

(4)  Können sich die beiden Schiedsrichter nicht innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Bezeichnung auf die Wahl des Vorsitzenden einigen, so wird dieser auf Verlangen einer der beiden Vertragsparteien vom Präsidenten des Internationalen Gerichtshofes ernannt.

(5)  Ist der Präsident des Internationalen Gerichtshofes in den in Absatz (3) und Absatz (4) dieses Artikels erwähnten Fällen an seiner Mandatsausübung verhindert, oder ist er Staatsangehöriger einer der beiden Vertragsparteien, so werden die Ernennungen vom Vizepräsidenten vorgenommen. Ist auch dieser verhindert oder Staatsangehöriger einer der beiden Vertragsparteien, so werden die Ernennungen durch das amtsälteste Mitglied des Gerichtshofes vorgenommen, das nicht Staatsangehöriger einer Vertragspartei ist.

(6)  Sofern die Vertragsparteien nichts anderes bestimmen, regelt das Schiedsgericht sein Verfahren selber.

(7)  Die Entscheide des Schiedsgerichts sind für die Vertragsparteien endgültig und bindend.

Art. 10

Jede Vertragspartei gewährleistet zu jedem Zeitpunkt die Einhaltung der durch sie eingegangenen Verpflichtungen hinsichtlich der Investitionen von Investoren der anderen Vertragspartei.

Art. 11

Das Abkommen kann jederzeit mit schriftlichem Übereinkommen zwischen den Ver­­trags­parteien geändert werden. Änderungen treten in Kraft, wenn beide Vertragsparteien einander mitgeteilt haben, dass die internen Voraussetzungen für das Inkrafttreten von solchen Änderungen erfüllt sind.

Art. 12

(1)  Das Abkommen tritt dreissig Tage nach dem Zeitpunkt in Kraft, an dem sich die beiden Regierungen mitgeteilt haben werden, dass die verfassungsmässigen Vorschriften für den Abschluss und das Inkrafttreten von internationalen Abkommen erfüllt sind, und gilt für die Dauer von zehn Jahren. Wird es nicht durch schriftliche Anzeige sechs Monate vor Ablauf dieses Zeitraumes gekündigt, verlängert sich seine Laufzeit um jeweils weitere zwei Jahre bis zu seiner Kündigung.

(2)  Im Falle der Kündigung dieses Abkommens werden für Investitionen, die vor seiner Kündigung getätigt wurden, die in den Artikeln 1 bis 11 enthaltenen Bestimmungen noch während der Dauer von zehn Jahren angewandt.

Geschehen zu Ankara, am 3. März 1988, in sechs Originalen, zwei in französischer, zwei in türkischer und zwei in englischer Sprache, wobei jeder Text gleichermassen verbindlich ist. Im Falle von Abweichungen geht der englische Text vor.

Für den
Schweizerischen Bundesrat:

Franz Blankart

Für die Regierung
der Türkischen Republik:

Ali Tigrel