Nicht löschen bitte "1 " !!

0.732.924.9

Übersetzung2

Abkommen

über die Zusammenarbeit zwischen der Regierung
der Schweiz und der Regierung der Volksrepublik China
auf dem Gebiet der friedlichen Verwendung der Kernenergie

Abgeschlossen am 12. November 1986
Von der Bundesversammlung genehmigt am 22. Juni 19883
In Kraft getreten durch Notenaustausch am 15. August 1988

1 AS 1988 1488; BBl 1987 II 1269

2 Der französische Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der entspre­chenden Ausgabe dieser Sammlung.

3 AS 1988 1385

Die Regierung der Schweiz
und
die Regierung der Volksrepublik China,

im folgenden als Vertragsparteien bezeichnet,

im Wunsche, ihre freundschaftlichen Beziehungen weiterzupflegen und zu vertiefen,

in Erwägung der Bedeutung, die sie der friedlichen Verwendung der Nuklearenergie beimessen,

in Bestätigung ihrer Absicht, die Zusammenarbeit sowohl auf bilateraler Ebene als auch im Rahmen der Internationalen Atomenergie‑Agentur – im folgenden als Agentur bezeichnet – zu erweitern und zu vertiefen,

eingedenk dessen, dass die Schweiz und die Volksrepublik China Mitglieder der Agentur sind,

eingedenk dessen, dass die Volksrepublik China ein Kernwaffenstaat ist und dass die Schweiz in ihrer Eigenschaft als Nichtkernwaffenstaat Mitglied des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen – im folgenden als Atomsperrvertrag bezeichnet – ist, der am 1. Juli 19684 in London, Moskau und Washington unterzeichnet wurde, und dass sie am 6. September 19785 im Zusammenhang mit dem Atomsperrvertrag ein Kontrollabkommen mit der Agentur abgeschlossen hat,

in Bekräftigung ihrer Verpflichtung, ihre Zusammenarbeit im Bereich der Nuklearenergie für ausschliesslich friedliche Zwecke zu verwenden,

sind wie folgt übereingekommen:

Art. 1

Die Vertragsparteien fördern die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie auf der Grundlage der Gleichberechtigung und des beiderseitigen Nutzens, im Einklang mit den in den beiden Ländern jeweils geltenden Gesetzen und Vorschriften und in Übereinstimmung mit den internationalen Verpflichtungen und Verbindlichkeiten einer jeden Vertragspartei.

Art. II

Gemäss den Bestimmungen von Artikel I dieses Abkommens erleichtern die Vertragsparteien

den Abschluss von Spezialabkommen zwischen den zuständigen Stellen beider Vertragsparteien sowie
den Abschluss von Verträgen über Projekte auf dem Gebiet der Kernenergie, über Forschung und Entwicklung sowie über industrielle Zusammenarbeit in Bereichen, die im Zusammenhang mit der Kernenergie stehen, und über die Lieferung von Informationen, Material, Kernmaterial, Ausrüstungen und Technologie.
Art. III

1.  Die Weitergabe von Informationen kann durch die in Artikel II erwähnten Spezialabkommen und Verträge geregelt werden. Die Weitergabe sollte den folgenden Grundsätzen unterliegen:

a)
Wenn Organisationen oder Industriebetriebe der einen Vertragspartei vor oder bei dem Austausch nicht mitgeteilt haben, dass die Weitergabe der ausgetauschten Information ausgeschlossen oder beschränkt ist, können die Organisationen oder Industriebetriebe der anderen Vertragspartei die erhaltenen Informationen an andere Organisationen oder Industriebetriebe in deren Hoheitsgebiet weitergeben.
b)
Wenn Organisationen oder Industriebetriebe einer Vertragspartei vor oder bei dem Austausch mitgeteilt haben, dass die Weitergabe der ausgetauschten Informationen ausgeschlossen oder beschränkt ist, so sollen jede Organisation oder jeder Industriebetrieb sicherstellen, dass ohne schriftliche Zustimmung der Organisation oder des Industriebetriebes der anderen Vertragspartei die ausgetauschten Informationen oder die sich aus gemeinsamer Forschung oder Entwicklung ergebenden Informationen nicht bekanntgemacht oder an Dritte weitergegeben werden, die nach diesem Abkommen nicht zum Empfang der Informationen befugt sind.

2.  Die Vertragsparteien bemühen sich, die Partner der Zusammenarbeit zu veranlassen, einander den Grad an Zuverlässigkeit und Anwendbarkeit der ausgetauschten Informationen mitzuteilen. Der Umstand, dass die Vertragsparteien gegebenenfalls an der Weitergabe von Informationen im Rahmen dieses Abkommens beteiligt sind, begründet keine Haftung der Vertragsparteien für die Richtigkeit oder Anwendbarkeit der Informationen.

Art. IV

1.  Die unter dieses Abkommen fallende Zusammenarbeit hat ausschliesslich die friedliche Nutzung der Kernenergie zum Ziel. Material, Kernmaterial und seine Folgegenerationen, Ausrüstungen oder Technologie, die zwischen den Vertragsparteien übertragen oder durch den Gebrauch solcher übertragener Güter gewonnen, hergestellt oder abgeleitet werden, sollen nicht für die Entwicklung und Herstellung von Kernwaffen oder sonstiger Kernsprengkörper abgezweigt oder benutzt werden.

2.  Die Definition der Begriffe «Material», «Kernmaterial», «Ausrüstungen» und «Technologie» ist Gegenstand der Beilagen A und B dieses Abkommens.

Art. V

1.  Die Vertragsparteien sind dafür besorgt, dass die unter Artikel IV dieses Abkommens aufgeführten Güter innerhalb ihres Hoheitsgebiets ausschliesslich im Besitze von dazu ermächtigten Personen sind.

2.  Die Vertragsparteien treffen auf ihrem Hoheitsgebiet die nötigen Massnahmen, um die Sicherung des unter dieses Abkommen fallenden Materials, Kernmaterials und der Ausrüstungen zu garantieren.

3.  In bezug auf die Sicherung des Kernmaterials werden die Vertragsparteien die diesbezüglichen Empfehlungen der Agentur (vgl. Beilage A, f) anwenden.

Art. VI

Die in Artikel IV dieses Abkommens erwähnten Güter werden nur nach voran­gehenden Konsultationen und im gegenseitigen Einverständnis der Vertragsparteien in ein drittes Land weitergegeben. Dabei stellen die Vertragsparteien in jedem Fall einer solchen Weitergabe sicher, dass das dritte Land mindestens die folgenden Forderungen erfüllt:

ausschliesslich friedliche und nicht‑explosive Verwendung;
Anwendung der Kontrollen der Agentur auf die weitergegebenen Güter;
keine Weitergabe an andere Länder ohne vorheriges Einverständnis der Vertragsparteien;
Vorkehrung angemessener Sicherungsmassnahmen, gemäss Artikel V dieses Abkommens.
Art. VII

1.  Die in der Beilage A, d) aufgeführten und von einer der Vertragsparteien gelieferten Güter sind im Bestimmungsland den Kontrollen der Agentur zu unterstellen.

2.  Wenn die Volksrepublik China Bestimmungsland der in Absatz 1 dieses Artikels erwähnten Güter ist, schliesst die Volksrepublik China mit der Agentur ein Kontrollabkommen ab, um sicherzustellen, dass Absatz 1 dieses Artikels eingehalten wird.

3.  Wenn die Schweiz Bestimmungsland der in Absatz 1 dieses Artikels erwähnten Güter ist, wird die Einhaltung von Absatz 1 dieses Artikels durch das Kontroll­abkommen garantiert, das am 6. September 19786 zwischen der Schweiz und der Agentur im Zusammenhang mit dem Atomsperrvertrag geschlossen worden ist.

Art. VIII

1.  Die zuständigen Behörden der Vertragsparteien können Verwaltungsvereinbarungen treffen, um die Durchführung der Zusammenarbeit im Rahmen dieses Abkommens zu gewährleisten.

2.  Zur Förderung der Zusammenarbeit nach diesem Abkommen wird ein Ausschuss gebildet, dem von jeder Vertragspartei ernannte Vertreter angehören. Der Ausschuss tritt bei Bedarf zusammen, um die Fortschritte und Ergebnisse der Zusammenarbeit nach diesem Abkommen zu überprüfen.

Art. IX

Wenn notwendig, treffen Vertreter der Vertragsparteien zu gegenseitigen Konsultationen über sich aus der Anwendung dieses Abkommens ergebende Fragen zusammen. Mit Zustimmung beider Vertragsparteien kann die Agentur zur Teilnahme an diesen Konsultationen eingeladen werden.

Art. X

Die Verpflichtungen der Vertragsparteien aus ihren jeweiligen internationalen Verträgen bleiben unberührt. Die beiden Vertragsparteien bemühen sich jedoch, Auswirkungen solcher Verpflichtungen auf die normale Durchführung dieses Abkommens zu vermeiden.

Art. XI

Dieses Abkommen kann jederzeit mit der schriftlichen Zustimmung beider Vertragsparteien revidiert werden. Die angenommenen Revisionen treten in Kraft gemäss dem in Artikel XII dieses Abkommens vorgesehenen Verfahren.

Art. XII

Dieses Abkommen tritt in Kraft, nachdem jede Vertragspartei der anderen den Abschluss des für die Inkraftsetzung notwendigen internen Rechtsverfahrens notifiziert hat. Das Abkommen bleibt dreissig Jahre in Kraft. Es wird stillschweigend für jeweils fünf Jahre verlängert, es sei denn, es werde von der einen oder anderen Vertragspartei gekündigt. Die Kündigung ist wenigstens sechs Monate vor Ablauf der nächstfolgenden Verfallfrist schriftlich mitzuteilen.

Art. XIII

Im Falle der Beendigung dieses Abkommens bleiben die in Artikel II erwähnten Verträge und Abkommen in Kraft, solange sie nicht von der einen oder anderen Vertragspartel gekündigt werden. Die Bestimmungen der Artikel IV, V, VI und VII gelten in jedem Falle für das unter dieses Abkommen fallende Material, nukleare Material, die Ausrüstungen und die Technologie weiter.

Art. XIV

Die in Artikel IV erwähnten Beilagen A und B sind wesentlicher Bestandteil dieses Abkommens.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die dazu gehörig bevollmächtigten Vertreter der beiden Regierungen dieses Abkommen unterzeichnet.

Geschehen in Peking, im Doppel, in chinesischer, französischer und englischer Sprache, am 12. November 1986. Die drei Texte sind gleichermassen massgebend. Im Falle von unterschiedlicher Auslegung geht die englische Version vor.

Für die
Regierung der Schweiz:

Für die
Regierung der Volksrepublik China:

Pierre Aubert

Wu Xueqian

Beilage A

Definitionen

a)
«Ausrüstungen» bedeutet die Güter und wesentlichen Bestandteile, die in Teil A der Beilage B umschrieben sind.
b)
«Material» bedeutet das nicht‑nukleare Material für Reaktoren, das in Teil B der Beilage B umschrieben ist.
c)
«Kernmaterial» bedeutet «Ausgangs‑» oder «besonderes spaltbares Mate­rial» gemäss Definition dieser Begriffe in Artikel XX des Statuts der Agentur7. Jeder Entscheid des Gouverneursrates der Agentur gemäss Artikel XX des Statuts der Agentur, der die Liste der Materialien, die als «Ausgangs‑» oder «besonderes spaltbares Material» gelten, abändert, ist im Rahmen dieses Abkommens nur dann anwendbar, wenn beide Vertragsparteien sich gegenseitig ihre Zustimmung zu einer solchen Änderung schriftlich mit­geteilt haben.
d)
Bei den in Artikel VII erwähnten Gütern handelt es sich um Aufarbeitungs‑, Anreicherungs‑ oder Schwerwasserproduktionsanlagen, deren wesentliche kritische Bestandteile und deren Technologie; angereichertes Uran mit einem Anteil der Isotopen 233 oder 235 von 20 Prozent oder mehr und um Plutonium.
Ferner: abgebrannte Brennelemente und das darin enthaltene Plutonium und Uran mit einem Anteil der Isotopen 233 oder 235 von 20 Prozent oder mehr. Auf Begehren einer Vertragspartei können weitere Güter eingeschlossen werden, falls die Vertragsparteien dies beschliessen.
e)
«Technologie» bezeichnet technische Daten in physischer Form, mit eingeschlossen technische Pläne, negative und positive photographische Dokumente, Aufzeichnungen, Projekt‑Grundlagen, Verfahrensbücher und Betriebs­anweisungen, die von dem Lieferland nach Konsultation mit dem Empfängerland vor der Lieferung als wichtig bezeichnet werden für Auslegung, Bau, Betrieb oder Wartung von Anreicherungs‑, Wiederaufarbeitungs‑ oder Schwerwasserproduktionsanlagen oder von wesentlichen kritischen Bestandteilen solcher Anlagen, jedoch ausschliesslich solcher Daten, die beispielsweise durch die Veröffentlichung in Zeitschriften oder Büchern der All­gemeinheit bekannt gemacht oder die ohne jede Beschränkung inter­national zur Verbreitung freigegeben wurden.
f)
«Empfehlungen der Agentur» im Zusammenhang mit der Sicherung bedeutet die Empfehlungen im Dokument INFCIRC/225/Rev. 1 mit dem Titel «The Physical Protection of Nuclear Material», das von Zeit zu Zeit an den aktuellen Stand angepasst wird, oder jedes folgende Dokument, das INFCIRC/225/Rev. 1 ersetzen könnte. Abänderungen der Empfehlungen für die Sicherung sind im Rahmen dieses Abkommens nur dann anwendbar, wenn beide Vertragsparteien sich gegenseitig ihre Zustimmung zu einer solchen Abänderung schriftlich mitgeteilt haben.
g)
«Zuständige Behörde» bezeichnet für China das Ministerium für Nuklear­industrie und für die Schweiz das Bundesamt für Energiewirtschaft oder eine andere Behörde, die eine Vertragspartei der anderen gegebenenfalls notifizieren kann.

Beilage B

Teil A

1.
Kernreaktoren, die geeignet sind, eine kontrollierte, sich selbst fortsetzende Kettenreaktionsspaltung aufrechtzuerhalten, ausgenommen Nullenergiereaktoren, d.h. Reaktoren mit einem festgelegten Durchsatz der Plutoniumherstellung von höchstens 100 g im Jahr.
2.
Reaktordruckbehälter:
Metallbehälter als vollständige Einheiten oder wichtige vorgefertigte Teile dafür, die eigens zur Aufnahme des Kerns eines Kernreaktors im Sinne der Nummer 1 vorgesehen oder hergerichtet sind und dem Betriebsdruck des Primärkühlmittels standhalten können.
3.
Reaktorbrennstoff‑Lade‑ und ‑Entlademaschinen:
Fernbedienungsausrüstungen, die eigens für die Einführung oder Entfernung von Brennstoff in einem Kernreaktor im Sinne der Nummer 1 vorgesehen oder hergerichtet sind und während des Reaktorbetriebs gefahren werden können oder technisch hochentwickelte Positionierungs‑ oder Ausrichtungsteile verwenden, um komplexe Beschickungsvorgänge bei abgeschaltetem Reaktor zu ermöglichen, bei denen eine direkte Beobachtung des Brennstoffs oder der Zugang zu diesem in der Regel nicht gegeben ist.
4.
Reaktorregelstäbe:
Stäbe, die eigens für die Steuerung der Reaktionsgeschwindigkeit in einem Kernreaktor im Sinn der Nummer 1 vorgesehen oder hergerichtet sind.
5.
Reaktordruckrohre:
Rohre, die eigens für die Aufnahme von Brennelementen und des Primärkühlmittels in einem Reaktor im Sinne der Nummer 1 bei einem Betriebsdruck von über 50 Atmosphären vorgesehen oder hergerichtet sind.
6.
Zirkoniumrohre:
Zirkonium‑Metall und ‑Legierungen in Form von Rohren oder Rohrbauteilen und in Mengen über 500 kg im Jahr, die eigens für die Verwendung in einem Reaktor im Sinne der Nummer 1 vorgesehen oder hergerichtet sind und bei denen das Verhältnis von Hafnium zu Zirkonium weniger als 1 zu 500 Gewichtsteilen beträgt.
7.
Primärkühlmittelpumpen:
Pumpen, die eigens für den Umlauf von Flüssigmetall als Primärkühlmittel für Kernreaktoren im Sinne der Nummer 1 vorgesehen oder hergerichtet sind.
8.
Anlagen zur Wiederaufarbeitung bestrahlter Brennelemente sowie eigens dafür vorgesehene oder hergerichtete Ausrüstungen.
  9.
Anlagen zur Herstellung von Brennelementen.
10.
Ausrüstungen – mit Ausnahme von Analyseinstrumenten –, die eigens für die Trennung von Uranisotopen vorgesehen oder hergerichtet sind.
11.
Anlagen zur Herstellung von Schwerwasser, Deuterium und Deuteriumverbindungen sowie eigens dafür vorgesehene oder hergerichtete Ausrüstungen.

Teil B

12.
Deuterium und Schwerwasser:
Deuterium und Deuteriumverbindungen, bei denen das Verhältnis von Deuterium zu Wasserstoff mehr als 1 zu 5000 beträgt, zur Verwendung in einem Kernreaktor im Sinne der Nummer 1 in Mengen, die 200 kg Deuterium­atome innerhalb von zwölf Monaten überschreiten.
13.
Graphit für nukleare Zwecke:
Graphit mit einem Reinheitsgrad von mehr als 5 ppm Boräquivalent und einer Dichte von mehr als 1,5 g/ccm in Mengen, die 30 metrische Tonnen innerhalb von zwölf Monaten überschreiten.

Die im ersten Abschnitt von Artikel VIII erwähnte Verwaltungsvereinbarung bestimmt, wie lange die in den Beilagen A und B aufgeführten Elemente diesem Abkommen unterstellt bleiben.