0.837.951.4

 AS 1979 2131; BBl 1979 I 817

Originaltext

Abkommen
zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft
und dem Fürstentum Liechtenstein
über die Arbeitslosenversicherung

Abgeschlossen am 15. Januar 1979
Von der Bundesversammlung genehmigt am 4. Oktober 19791
Ratifikationsurkunden ausgetauscht am 11. Dezember 1979
In Kraft getreten am 1. Januar 1980

Der Schweizerische Bundesrat
und
Seine Durchlaucht der Regierende Fürst von und zu Liechtenstein,

vom Wunsch geleitet, die gegenseitigen Beziehungen zwischen den beiden Staaten auf dem Gebiet der Arbeitslosenversicherung zu regeln, sind übereingekommen, ein Abkommen zu schliessen, und haben hierfür zu ihren Bevollmächtigten ernannt:

Der Schweizerische Bundesrat:
Herrn Jean‑Pierre Bonny, Direktor des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit;

Seine Durchlaucht der Regierende Fürst von und zu Liechtenstein:
Herrn Hans Brunhart, Regierungschef des Fürstentums Liechtenstein.

Die Bevollmächtigten haben nach Austausch ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten folgendes vereinbart:

Abschnitt I Allgemeine Bestimmungen


Art. 1

In diesem Abkommen bedeuten die Ausdrücke

1.
«Schweiz»
die Schweizerische Eidgenossenschaft,
«Liechtenstein»
das Fürstentum Liechtenstein;
2.
«Staatsangehörige»
in bezug auf die Schweiz die Schweizer Bürger,
in bezug auf Liechtenstein dessen Landesbürger;
3.
«Rechtsvorschriften»
die Gesetze und Verordnungen, die sich auf das in Artikel 2 Absatz 1 bezeich­nete Rechtsgebiet beziehen und in einem Vertragsstaat in Kraft sind;
4.
«zuständige Behörde»
in bezug auf die Schweiz das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit, in bezug auf Liechtenstein die Regierung des Fürstentums Liechtenstein;
5.
«Grenzgänger»
Arbeitnehmer, die im Gebiet des einen Vertragsstaates ihren Wohnsitz haben und im Gebiet des anderen Vertragsstaates einer regelmässigen und ordnungsgemässen Erwerbstätigkeit nachgehen.
Art. 2

1 Dieses Abkommen bezieht sich in beiden Vertragsstaaten auf die Rechtsvorschriften über die Arbeitslosenversicherung mit Einschluss der Teilarbeitslosigkeit.

2 Rechtsvorschriften, die sich aus zwischenstaatlichen Verträgen mit dritten Staaten oder aus überstaatlichem Recht ergeben oder zu deren Ausführung dienen, sind im Verhältnis zwischen den Vertragsstaaten nicht zu berücksichtigen.

Art. 3

Dieses Abkommen gilt für die Staatsangehörigen der beiden Vertragsstaaten sowie für alle Grenzgänger im Sinne von Artikel 1 Ziffer 5, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit.

Art. 4

1 Die Versicherungs‑ bzw. Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung richtet sich nach den Rechtsvorschriften des Vertragsstaates, in dem der Arbeitnehmer gemäss dem zwischen den Vertragsstaaten abgeschlossenen Abkommen über die Alters‑, Hinterlassenen‑ und Invalidenversicherung, in seiner jeweiligen Fassung, der Beitragspflicht untersteht. Für Grenzgänger, die nicht Angehörige eines der beiden Vertragsstaaten sind, richtet sich die Beitragspflicht nach den Rechtsvor­schriften des Vertragsstaates, in dessen Gebiet die Erwerbstätigkeit ausgeübt wird.

2 Machen die zur Anwendung kommenden Rechtsvorschriften die Versicherungs­fähigkeit bzw. Beitragspflicht der Arbeitnehmer von ihrem Wohnsitz im betreffenden Staat abhängig, so gelten die im andern Vertragsstaat wohnenden Grenzgänger, sofern alle übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, als versicherungsfähig bzw. beitragspflichtig, wie wenn sie im ersten Vertragsstaat Wohnsitz hätten.

3 Soweit sich in einem der Vertragsstaaten nicht versicherungspflichtige Arbeitnehmer freiwillig versichern können, steht diese Möglichkeit Grenzgängern aus dem anderen Vertragsstaat in gleicher Weise offen.

4 Wer im einen Vertragsstaat obligatorische Beiträge entrichtet, kann im anderen Vertragsstaat nicht zusätzlich freiwillig versichert sein.

Abschnitt II Besondere Bestimmungen


Art. 5

Der Anspruch auf Leistungen und das Verfahren richten sich nach den Rechtsvorschriften des Vertragsstaates, in dessen Gebiet der Anspruch geltend gemacht wird, soweit die folgenden Bestimmungen nichts anderes festlegen.

Art. 6

Kehren Staatsangehörige in ihren Heimatstaat zurück, werden die im anderen Vertragsstaat zurückgelegten Versicherungszeiten bzw. beitragspflichtigen Beschäftigungszeiten bei der Beurteilung, ob die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, und bei der Festsetzung der Bezugsdauer berücksichtigt, wie wenn diese Zeiten im Heimatstaat zurückgelegt worden wären.

Art. 7

1 Grenzgänger erhalten bei Ganzarbeitslosigkeit Arbeitslosenentschädigung in dem Vertragsstaat, in dessen Gebiet ihr Wohnsitz liegt. Bei der Beurteilung, ob die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, und bei der Festsetzung der Bezugsdauer werden im Wohnsitzstaat die im anderen Vertragsstaat zurückgelegten versiche­rungs‑ bzw. beitragspflichtigen Beschäftigungszeiten berücksichtigt, dasselbe gilt für freiwillige Versicherungszeiten.

2 Grenzgängern werden Leistungen bei Teilarbeitslosigkeit in dem Vertragsstaat und nach dessen Rechtsvorschriften gewährt, in dem sie der Versicherungspflicht bzw. der Beitragspflicht unterstellt sind oder freiwillig Beiträge entrichtet haben.

Art. 8

Auf die Bezugsdauer werden Zeiten, für die im anderen Vertragsstaat Leistungen erbracht wurden, so angerechnet, als ob diese Leistungen im Staat, in dem der Anspruch geltend gemacht wird, gewährt worden wären.

Art. 9

1 Auf eine Erstattung des im Beschäftigungsland zur Abdeckung des Risikos der Ganzarbeitslosigkeit erhobenen Anteils der Arbeitslosenversicherungsbeiträge der Grenzgänger an den Wohnsitzstaat wird bis auf weiteres beiderseits verzichtet.

2 Bei wesentlich geänderten Verhältnissen können die Regierungen der beiden Ver­tragsstaaten Ausgleichszahlungen vereinbaren.

Abschnitt III Verschiedene Bestimmungen


Art. 10

Die Behörden der Vertragsstaaten leisten einander bei der Durchführung dieses Abkommens gegenseitige Hilfe, als wendeten sie die eigenen Rechtsvorschriften an. Die Hilfe ist mit Ausnahme der Barauslagen kostenlos.

Art. 11

1 Steuer‑ und Gebührenbefreiung nach den Vorschriften über die Arbeitslosenversicherung eines Vertragsstaates gelten gegenüber Personen und Dienststellen des anderen Vertragsstaates.

2 Urkunden und Schriftstücke jeglicher Art, die in Durchführung dieses Abkommens vorgelegt werden müssen, bedürfen keiner Beglaubigung.

Art. 12

Die mit der Durchführung der Arbeitslosenversicherung befassten Stellen in beiden Vertragsstaaten verkehren bei der Durchführung dieses Abkommens miteinander und mit den Versicherten oder ihren Vertretern unmittelbar.

Art. 13

1 Die zuständigen Behörden der beiden Vertragsstaaten einigen sich im gegenseitigen Einvernehmen über die Auslegung dieses Abkommens und vereinbaren unmittelbar miteinander das Nähere über die zur Durchführung dieses Abkommens erforderlichen Massnahmen, soweit sie ein gegenseitiges Einverständnis bedingen. Sie unterrichten einander über die zur Durchführung des Abkommens getroffenen Massnahmen sowie über Änderungen und Ergänzungen ihrer Rechtsvorschriften, die seine Durchführung berühren.

2 Zur Erleichterung der Durchführung dieses Abkommens werden folgende Verbindungsstellen eingerichtet:

in der Schweiz
das Kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit, St. Gallen,
in Liechtenstein
das Amt für Volkswirtschaft.

Abschnitt IV Übergangs‑ und Schlussbestimmungen


Art. 14

Dieses Abkommen begründet keinen Anspruch auf Zahlung von Leistungen für die Zeit vor seinem Inkrafttreten.

Art. 15

1 Dieses Abkommen bedarf der Ratifikation. Die Ratifikationsurkunden werden so bald als möglich in Bern ausgetauscht werden.

2 Dieses Abkommen tritt am ersten Januar des auf den Austausch der Ratifikationsurkunden folgenden Jahres in Kraft. Sollte es sich als dringlich erweisen, können die Regierungen der beiden Vertragsstaaten im gegenseitigen Einvernehmen ein anderes Datum des Inkrafttretens festsetzen.

Art. 16

1 Dieses Abkommen wird für die Dauer eines Jahres, gerechnet vom Tage seines Inkrafttretens an, geschlossen; es gilt jeweils für ein weiteres Jahr, wenn es nicht von einer Vertragspartei spätestens drei Monate vor Ablauf der Jahresfrist schriftlich gekündigt wird.

2 Tritt das Abkommen infolge Kündigung ausser Kraft, so gelten seine Bestimmungen für die bis dahin erworbenen Leistungsansprüche weiter, jedoch nicht länger als für die Dauer eines Jahres nach dem Ausserkrafttreten.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten dieses Abkommen in doppelter Urschrift in deutscher Sprache unterzeichnet und mit ihren Siegeln versehen.

Geschehen in Vaduz, am 15. Januar 1979.

Für die
Schweizerische Eidgenossenschaft:

Für das
Fürstentum Liechtenstein:

Bonny

Brunhart