974.0

Bundesgesetz
über die internationale
Entwicklungszu­sammenarbeit
und humanitäre Hilfe

vom 19. März 1976 (Stand am 1. Januar 2022)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft,

gestützt auf die Artikel 8, 85 Ziffern 5 und 6 und 102 Ziffern 8 und 9
der Bundes­verfassung1,2
nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 19. März 19733
und in seinen Bericht vom 22. Januar 19754,

beschliesst:

1 [BS 1 3]. Den genannten Bestimmungen entsprechen heute Art. 54, 166, 173 Abs. 1 Buchstabe a, 184 und 185 Abs. 1 der BV vom 18. April 1999 (SR 101).

2 Fassung gemäss Anhang Ziff. 1 des BG vom 24. März 2000 über die Bearbeitung von Personendaten im EDA, in Kraft seit. 1. Sept. 2000 (AS 2000 1915; BBl 1995 9005).

3 BBl 1973 I 869

4 BBl 1975 I 487

1. Kapitel: Allgemeines

Art. 1 Gegenstand

Der Bund trifft Massnahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe.

Art. 2 Grundsätze

1 Die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe sind Aus­druck der Solidarität, die eines der Prinzipien darstellt. nach denen die Schweiz ihr Verhältnis zur internationalen Gemeinschaft gestaltet und entsprechen der weltwei­ten Verflechtung. Sie beruhen auf der gegenseitigen Achtung der Rechte und Inter­essen der Partner.

2 Die Massnahmen nach diesem Gesetz berücksichtigen die Verhältnisse der Part­ner­länder und die Bedürfnisse der Bevölkerung, für die sie bestimmt sind.

3 Die Leistungen des Bundes erfolgen unentgeltlich oder zu Vorzugsbedingungen. Sie ergänzen in der Regel eigene Anstrengungen der Partner.

Art. 3 Vorgehen

1 Die Massnahmen nach diesem Gesetz werden bilateral oder multilateral, gegebe­nenfalls auch autonom durchgeführt.

2 Die bilateralen Massnahmen werden unmittelbar direkt von den beteiligten Re­gie­rungen oder durch Vermittlung öffentlicher oder privater Stellen durchgeführt.

3 Die multilateralen Massnahmen werden durch Vermittlung internationaler Insti­tu­tionen durchgeführt.

4 Die autonomen Massnahmen werden einseitig vom Bund durchgeführt.

Art. 4 Koordination

Der Bund koordiniert seine Massnahmen mit den Anstrengungen der Partner und nach Möglichkeit mit den gleichgerichteten Leistungen anderer nationaler und in­ter­nationaler Herkunft.

2. Kapitel: Entwicklungszusammenarbeit

Art. 5 Ziele

1 Die Entwicklungszusammenarbeit unterstützt die Entwicklungsländer im Bestre­ben, die Lebensbedingungen ihrer Bevölkerung zu verbessern. Sie soll dazu beitra­gen, dass diese Länder ihre Entwicklung aus eigener Kraft vorantreiben. Langfri­stig erstrebt sie besser ausgewogene Verhältnisse in der Völkergemeinschaft.

2 Sie unterstützt in erster Linie die ärmeren Entwicklungsländer, Regionen und Bevölkerungsgruppen. Sie fördert namentlich

a.
die Entwicklung ländlicher Gebiete;
b.
die Verbesserung der Ernährungslage, insbesondere durch die landwirt­schaft­­li­che Produktion zur Selbstversorgung;
c.
das Handwerk und die örtliche Kleinindustrie;
d.
die Schaffung von Arbeitsplätzen;
e.
die Herstellung und Wahrung des ökologischen und demografischen Gleich­gewichts.
Art. 6 Formen

1 Die Entwicklungszusammenarbeit kann folgende Formen annehmen

a.
technische Zusammenarbeit, die im besonderen bezweckt, durch Vermitt­lung von Wissen und Erfahrung die Entfaltung der Menschen zu fördern und sie zu befähigen, ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung, innerhalb ihrer eigenen Gesellschaft, mitzugestalten;
b.
Finanzhilfe, die im Besonderen zum Ausbau der wirtschaftlichen und sozia­len Infrastruktur der Bestimmungsländer beiträgt;
c.
handelspolitische Massnahmen, die im Besonderen bezwecken, die Entwick­lungsländer besser am Welthandel zu beteiligen, damit sie aus ihm grösseren Nutzen ziehen können;
d.
Massnahmen zur Förderung des Einsatzes privatwirtschaftlicher Mittel, die die Entwicklung im Sinne des Artikels 5 begünstigen, namentlich von Inve­s­ti­­tionen;
e.
jede andere Form, die den in Artikel 5 genannten Zielen dient.

2 Verschiedene Formen der Entwicklungszusammenarbeit können verbunden wer­den, namentlich technische Zusammenarbeit und Finanzhilfe bei der Verwirkli­chung von Entwicklungsprogrammen und -projekten.

3. Kapitel: Humanitäre Hilfe

Art. 7 Ziele

Die humanitäre Hilfe soll mit Vorbeugungs- und Nothilfemassnahmen zur Erhal­tung gefährdeten menschlichen Lebens sowie zur Linderung von Leiden beitragen; sie ist namentlich für die von Naturkatastrophen oder bewaffneten Konflikten heim­­gesuchte Bevölkerung bestimmt.

Art. 8 Formen

1 Die humanitäre Hilfe kann folgende Formen annehmen:

a.
Sachleistungen, insbesondere Abgabe von Nahrungsmitteln;
b.
Geldbeiträge;
c.
Entsendung von Spezialisten und Einsatzgruppen, insbesondere im Katastro­phenfall;
d.
jede andere Form, die den Zielen nach Artikel 7 dient.

2 Wo es angezeigt erscheint, werden einzelne Formen der humanitären Hilfe mit­ein­ander verbunden.

4. Kapitel: Finanzierung

Art. 9

1 Die Mittel für die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe werden als Verpflichtungskredite5 für jeweils mehrere Jahre bewilligt.

2 Bei den Verpflichtungskreditvorlagen sind die Lage der schweizerischen Wirtschaft und der Bundesfinanzen sowie die Erfordernisse der benachteiligten Gebiete im Inland zu beachten.

3 Der Bundesrat wacht über die wirksame Verwendung der nach diesem Gesetz bewilligten Mittel. Er erstattet darüber der Bundesversammlung Bericht, wenn er einen neuen Verpflichtungskredit beantragt.

5 Ausdruck gemäss Anhang Ziff. 12 des BG vom 19. März 2021, in Kraft seit 1. Jan. 2022 (AS 2021 662; BBl 2020 349). Diese Änd. wurde in den in der AS genannten Bestimmungen vorgenommen.

5. Kapitel: Vollzug

Art. 10 Internationale Vereinbarungen

Für die Verwendung der Gelder aus den Verpflichtungskrediten kann der Bundesrat in­ter­nationale Vereinbarungen über Massnahmen nach diesem Gesetz abschliessen, un­ter Vorbehalt von Artikel 89 Absatz 4 der Bundesverfassung6.

6 [BS 1 3; AS 1977 807 2228]. Es handelt sich um Abs. 4 in der Fassung vom 22. Jan. 1939. Heute Abs. 3. Der genannten Bestimmung entspricht heute Art. 141 der BV vom 18. April 1999 (SR 101).

Art. 11 Private Bestrebungen

1 Der Bundesrat kann Bestrebungen privater Institutionen, die den Grundsätzen und Zielen dieses Gesetzes entsprechen, mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützen. Die Institutionen haben eine angemessene Eigenleistung zu erbrin­gen.

2 Er kann zur Erfüllung der Ziele nach diesem Gesetz juristische Personen gründen oder beschliessen, dass der Bund sich an solchen beteiligt.7

7 Eingefügt durch Art. 21 Ziff. 3 des BG vom 24. März 2006 über die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas (AS 2007 2387; BBl 2004 1953). Fassung gemäss Art. 19 Ziff. 2 des BG vom 30. Sept. 2016 über die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas, in Kraft seit 1. Juni 2017 (AS 2017 3219; BBl 2016 2333).

Art. 13 Bundesverwaltung

Der Bundesrat sorgt für die verwaltungsinterne Koordination der internationalen Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe. Er setzt ein interdepartemen­tales Komitee ein.

Art. 13a8

8 Eingefügt durch Anhang Ziff. 1 des BG vom 24. März 2000 über die Bearbeitung von Personendaten im EDA (AS 2000 1915; BBl 1995 9005). Aufgehoben durch Anhang Ziff. II 3 des BG vom 18. Dez. 2020 über die Bearbeitung von Personendaten durch das EDA, mit Wirkung seit 1. Dez. 2021 (AS 2021 650; BBl 2020 1349).

Art. 14 Beratendes Organ

1 Der Bundesrat ernennt eine Beratende Kommission für internationale Zusammenarbeit9.

2 Die Kommission prüft namentlich Ziele und Rangfolge der Massnahmen. Fragen, die auch die Aussenwirtschaftspolitik berühren, werden an gemeinsamen Sitzungen mit der Konsultativen Kommission für die Handelspolitik beraten.

9 Die Bezeichnung der Verwaltungseinheit wurde in Anwendung von Art. 16 Abs. 3 der Publikationsverordnung vom 17. Nov. 2004 (AS 2004 4937) auf den 1. Jan. 2015 angepasst.

6. Kapitel: Schlussbestimmungen

Art. 17 Referendum und Inkrafttreten

1 Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

2 Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens.

Datum des Inkrafttretens: 1. Juli 197711

11 BRB vom 29. Juni 1977