0.721.325

 AS 1958 258; BBl 1956 I 1113

Übersetzung1

Abkommen
zwischen der Schweiz und Italien
über die Luganerseeregulierung

Abgeschlossen am 17. September 1955
Von der Bundesversammlung genehmigt am 7. Dezember 19562
Ratifikationsurkunden ausgetauscht am 15. Februar 1958
In Kraft getreten am 15. Februar 1958

1 Der Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der italienischen Ausgabe dieser Sammlung.

2 Art. 1 des BB vom 7. Dez. 1956 (AS 1958 255)

Der Schweizerische Bundesrat
und
die Regierung der Italienischen Republik

in Berücksichtigung der durch die periodisch wiederkehrenden Hochwasser des Luganersees verursachten beträchtlichen Schäden der Ufergebiete,

vom Wunsch getragen, die betroffenen Gebiete so gut als möglich gegen neue Überschwemmungen zu schützen und die Wasserstandsverhältnisse des Luganersees zu verbessern,

sind übereingekommen, ein Abkommen zu treffen und haben zu ihren Bevollmächtigten ernannt:

(Es folgen die Namen der Bevollmächtigten)

Diese haben nach Mitteilung ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten folgendes vereinbart:

Art. I

Die beiden Vertragsparteien kommen überein, die Luganerseeregulierung nach dem Projekt3 und dem Regulierreglement des Eidgenössischen Amtes für Wasserwirtschaft in Bern vom September 1951 bzw. August 1953 durchzuführen.

3 Die in AS 1958 264 wiedergegebene Karte zum Projekt wird in der SR nicht publiziert.

Art. II

1.  Die Regulierungsarbeiten umfassen:

a.
Korrektion der See‑Enge von Lavena;
b.
Regulierwehr bei Rochetta;
c.
Korrektion der Tresa zwischen Ponte Tresa und Madonnone.

2.  Mit den Arbeiten ist innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten dieses Abkommens zu beginnen.

Art. III

1.  Die beiden Vertragsparteien sind einig darüber, dass es sich bei der Luganerseeregulierung um ein Werk von öffentlichem Interesse handelt.

Die beiden Regierungen gewähren deshalb, jede auf ihrem Gebiet, das Recht, nötigenfalls die für Bau, Unterhalt und Betrieb der Anlagen erforderlichen Grundstücke sowie entgegenstehende Rechte zu enteignen.

2.  Der öffentliche Grund und Boden kann in dem für Bau, Unterhalt und Betrieb notwendigen Ausmass unentgeltlich beansprucht werden.

Art. IV

1.  Unter Vorbehalt der Befugnisse der gemischten Aufsichtskommission gemäss Artikel Vl der vorliegenden Vereinbarung obliegt die Ausführung der Arbeiten dem Kanton Tessin. Der Staatsrat des Kantons bestimmt die Bauleitung und wird, im Einvernehmen mit den italienischen Behörden und nach den in beiden Ländern geltenden Vorschriften, die Publikation der Pläne vornehmen und die Verträge mit den Unternehmern abschliessen.

2.  Die beiden Vertragsparteien fördern die Regulierungsarbeiten nach Möglichkeit, indem sie folgende Erleichterungen zusichern:

a.
Die Bauleitung erhält die Unterstützung durch die zuständigen Behörden der beiden Länder.
b.
Das bei den Arbeiten beschäftigte Personal kann sich an den Ufern der See‑Enge von Lavena und der Tresa frei bewegen. Es bleibt jedoch den notwendigen Polizei‑ und Zollmassnahmen unterworfen.
c.
Die beiden Regierungen verzichten auf die Erhebung von Zollabgaben, von Ein‑ und Ausfuhrgebühren, auf Ein‑ und Ausfuhrbewilligungen für Material, das zum Bau und Unterhalt der Anlagen bestimmt ist. Solches Material muss jedoch der zuständigen Zollstelle von Fall zu Fall angegeben werden. Die Zollbefreiung erfolgt nach Vorweisung einer Bescheinigung, aus welcher hervorgeht, dass das Material ausschliesslich für den Bau oder Unterhalt der im vorliegenden Abkommen vorgesehenen Anlagen bestimmt ist. Diese Bescheinigung wird für die schweizerischen Zollstellen durch das italienische Ministerium für öffentliche Arbeiten, für die italienischen Zollstellen durch das Baudepartement des Kantons Tessin ausgestellt.
Art. V

Die gesamten Kosten des in Artikel II vorliegenden Abkommens aufgeführten Arbeiten sind auf 4 000 000 Schweizer Franken veranschlagt worden und werden in vollem Umfang durch die Schweiz getragen. Italien übernimmt seinerseits die gesamten Kosten für den Uferschutz an der Tresa auf italienischem Gebiet unterhalb der in Artikel II vorgesehenen Korrektionsstrecke.

Art. VI

1.  Durch die beiden Regierungen wird eine aus sechs Mitgliedern bestehende Aufsichtskommission eingesetzt. Drei Mitglieder werden durch den Schweizerischen Bundesrat ernannt, drei durch die italienische Regierung. Jede Regierung trägt die Kosten für die von ihr ernannten Mitglieder.

2.  Während der Bauzeit obliegt dieser Kommission die Genehmigung des Bauprogrammes, welches ihr durch den Staatsrat des Kantons Tessin unterbreitet wird, die Überwachung der Bauarbeiten, die Beschlussfassung über allfällig vorgeschlagene Projektänderungen, sie hat ferner den beiden Regierungen periodische Berichte über den Gang der Arbeiten und die Einhaltung der Fristen vorzulegen.

3.  Nach der Abnahme der Arbeiten ist die Kommission für die Prüfung und Entscheidung aller Fragen der Anwendung des Regulierreglements, der Bedienung des Wehres, des Unterhalts und der Erneuerung der Bauwerke zuständig. Sie überwacht die Ausführung ihrer Beschlüsse und unterbreitet den beiden Regierungen ihr zweckmässig erscheinende Änderungen des Regulierreglementes zur Genehmigung.

4.  Die Kommission stellt ihre Geschäftsordnung selbst auf. Sie fasst ihre Beschlüsse einstimmig. Sofern Einstimmigkeit nicht zu erreichen ist, werden die streitigen Fragen den Direktoren der Versuchsanstalten für Wasserbau an den Technischen Hochschulen in Zürich und Mailand unterbreitet. Ihr Entscheid ist für beide Parteien verbindlich.

Sofern sich auch diese beiden Experten nicht einigen können, bezeichnen sie einen Schiedsrichter, der jedoch nicht aus einem der beiden Länder stammen darf. Sein Entscheid ist unanfechtbar.

Art. VII

Nach Abschluss der Arbeiten werden zwei Experten mit ihrer Abnahme betraut; der eine wird durch das Eidgenössische Post- und Eisenbahndepartement4, der andere durch das italienische Ministerium für öffentliche Arbeiten ernannt. Das Abnahmeprotokoll muss durch diese beiden Behörden genehmigt werden.

4 Heute: Eidgenössisches Verkehrs‑ und Energiewirtschaftsdepartement.

Art. VIII

1.  Die Bedienung des Wehres ist Sache der Schweiz, welche sich zur Einhaltung des Regulierreglements und seiner allfälligen Abänderungen gemäss Artikel Vl Ziffer 3 des vorliegenden Abkommens verpflichtet.

2.  Die Kosten für die Bedienung des Wehres gehen zu Lasten der Schweiz.

3.  Die mit der Bedienung des Wehres betrauten Personen haben freien Zutritt zum italienischen Ufer im Bereich des Wehres. Sie bleiben jedoch den notwendigen Polizei‑ und Zollmassnahmen unterworfen.

Art. IX

1.  Die Kosten für den Unterhalt und die Erneuerung des Regulierwehres gehen ausschliesslich zu Lasten der Schweiz.

2.  Jeder Staat trägt selbst die Kosten für den auf seinem Gebiet erforderlichen Unterhalt der Wasserrinne und der Ufer der See‑Enge von Lavena und der Tresa. Beide Staaten verpflichten sich, die notwendigen Massnahmen zu treffen, um Uferrutschungen und Veränderungen der Wasserrinne, die sich auf die Regulierung nachteilig auswirken könnten, zu verhüten. Sollten trotz aller Massnahmen solche Störungen eintreten, so wird die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes ohne Verzug an die Hand genommen. Die Aufsichtskommission regelt die Einzelheiten für solche Unterhaltsarbeiten, die sich gleichzeitig auf italienisches und schweizerisches Gebiet erstrecken.

Art. X

1.  Die beiden Regierungen sorgen, jede auf ihrem Gebiet, für die Ergreifung der notwendigen Massnahmen, damit im Falle der Erstellung oder der Abänderung von Kunstbauten, wie Strassen, ständige Einrichtungen für die Fischerei oder die Bewässerung, Brücken, Gebäude, Wasserbauten usw., in der See‑Enge von Lavena oder auf dem internationalen Abschnitt der Tresa die Seeregulierung weder gefährdet noch verunmöglicht und das Ufer des anderen Staates nicht in Mitleidenschaft gezogen wird.

2.  Zu diesem Zwecke müssen die entsprechenden Projekte den zuständigen Behörden unterbreitet werden, welche die Aufsichtskommission anhören werden.

Art. XI

Entstehen über die Auslegung oder die Anwendung des vorliegenden Abkommens Meinungsverschiedenheiten, die sich nicht durch direkte Verhandlungen beheben lassen, so kann auf Verlangen einer jeden der beiden Regierungen der Streitpunkt vor den Internationalen Gerichtshof gezogen werden.

Art. XII

Das vorliegende Abkommen hebt alle widersprechenden Bestimmungen früher zwischen den beiden Staaten abgeschlossener Vereinbarungen auf.

Art. XIII

Das vorliegende Abkommen wird ratifiziert und die Ratifikationsurkunden werden in Rom ausgetauscht werden.

Das Abkommen tritt am Tage des Austausches der Ratifikationsurkunden in Kraft.

Unterschriften

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten der beiden Staaten dieses Abkommen unterzeichnet.

Gegeben in Lugano am 17. September 1955 in zwei Originalexemplaren in italienischer Sprache.

Celio

Pietro Frosini

Zusatzprotokoll

Es sei ausdrücklich vermerkt, dass es sich bei dem in Artikel 1 des Abkommens genannten Projekt und Regulierreglement um dieselben handelt, welche der italienischen Delegation gemäss Protokoll der Sitzung in Mailand vom 11./12. Dezember 1953 übermittelt wurden.

Celio

Pietro Frosini