Art. 1
Definition des Begriffs «Flüchtling»
A. «Flüchtling» im Sinne dieses Abkommens ist jede Person,
- 1.
- die nach den Vereinbarungen vom 12. Mai 1926 und 30. Juni 1928 oder nach den Abkommen vom 28. Oktober 1933 und 10. Februar 1938 und des Protokolls vom 14. September 1939 oder nach der Verfassung der Internationalen Flüchtlingsorganisation als Flüchtling betrachtet wurde;
- die von der Internationalen Flüchtlingsorganisation während ihrer Tätigkeit getroffenen Entscheide über die Anerkennung eines Flüchtlings sind kein Hindernis, um einer Person, die die Bedingungen von Ziffer 2 dieses Abschnittes erfüllt, die Flüchtlingseigenschaft zuerkennen zu können;
- 2.
- die sich auf Grund von Ereignissen, die vor dem 1. Januar 1951 eingetreten sind, und aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Staatszugehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung ausserhalb ihres Heimatlandes befindet und dessen Schutz nicht beanspruchen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht beanspruchen will; oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse ausserhalb ihres Wohnsitzstaates befindet und dorthin nicht zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht zurückkehren will.
Wenn jemand mehr als eine Staatsangehörigkeit besitzt, wird als Heimatstaat jedes Land betrachtet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Wer nicht aus einem stichhaltigen, auf begründeter Furcht beruhenden Grunde den Schutz eines der Staaten, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, ablehnt, gilt nicht als des Schutzes seines Heimatstaates beraubt.
B. 1. Im Sinne dieses Abkommens sind unter den im Artikel 1, Abschnitt A enthaltenen Worten «Ereignisse, die vor dem 1. Januar 1951 eingetreten sind», zu verstehen:
- a)
- «Ereignisse, die vor dem 1. Januar 1951 in Europa eingetreten sind» oder
- b)
- «Ereignisse, die vor dem 1. Januar 1951 in Europa oder anderswo eingetreten sind».
- Jeder vertragsschliessende Staat hat im Zeitpunkt der Unterzeichnung, der Ratifikation oder des Beitritts eine Erklärung darüber abzugeben, welche Bedeutung er dem Ausdruck mit Bezug auf seine aus diesem Abkommen übernommenen Verpflichtungen zu geben beabsichtigt.
- 2.
- Jeder vertragsschliessende Staat, der die Alternative unter Buchstabe a angenommen hat, kann jederzeit durch Mitteilung an den Generalsekretär der Vereinten Nationen seine Verpflichtungen durch Annahme der Alternative gemäss Buchstabe b erweitern.
C. Eine Person, auf die die Bestimmungen des Abschnittes A zutreffen, fällt nicht mehr unter dieses Abkommen,
- 1.
- wenn sie sich freiwillig wieder unter den Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, gestellt hat; oder
- 2.
- wenn sie freiwillig die verlorene Staatsangehörigkeit wieder erworben hat; oder
- 3.
- wenn sie eine neue Staatsangehörigkeit erworben hat und den Schutz des neuen Heimatstaates geniesst; oder
- 4.
- wenn sie freiwillig in das Land, das sie aus Furcht vor Verfolgung verlassen oder nicht mehr betreten hat, zurückgekehrt ist und sich dort niedergelassen hat; oder
- 5.
- wenn sie nach Wegfall der Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz ihres Heimatstaates in Anspruch zu nehmen.
Diese Bestimmungen sind jedoch nicht auf die in Ziffer 1 des Abschnittes A erwähnten Flüchtlinge anwendbar, die den Schutz ihres Heimatstaates aus triftigen Gründen, die auf frühere Verfolgungen zurückgehen, ablehnen;
- 6.
- wenn sie staatenlos und nach Wegfall der Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, in der Lage ist, in das Land ihres früheren Wohnsitzes zurückzukehren;
Diese Bestimmungen sind jedoch nicht auf die in Ziffer 1 des Abschnitts A erwähnten Flüchtlinge anwendbar, die die Rückkehr in das Land ihres früheren Wohnsitzes aus triftigen Gründen, die auf frühere Verfolgungen zurückgehen, ablehnen.
D. Dieses Abkommen ist nicht anwendbar auf Personen, die zurzeit durch eine andere Organisation oder Institution der Vereinten Nationen als den Hochkommissär der Vereinten Nationen für Flüchtlinge Schutz oder Hilfe erhalten.
Wenn dieser Schutz oder diese Hilfe aus irgendeinem Grunde wegfallen, ohne dass die Stellung dieser Personen durch entsprechende Beschlüsse der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geregelt worden wäre, geniessen sie alle Rechte dieses Abkommens.
E. Dieses Abkommen ist nicht anwendbar auf Personen, welche nach Auffassung der zuständigen Behörden des Wohnsitzstaates im Besitze aller Rechte und Pflichten von Staatsangehörigen des Landes stehen.
F. Die Bestimmungen dieses Abkommens sind nicht anwendbar auf Personen, für die ernsthafte Gründe für den Verdacht bestehen:
- a)
- dass sie ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen haben, die Bestimmungen zur Verhinderung solcher Verbrechen enthalten;
- b)
- dass sie ein schweres Verbrechen des gemeinen Rechts ausserhalb des Gastlandes begangen haben, bevor sie dort als Flüchtling aufgenommen worden sind;
- c)
- dass sie sich Handlungen zuschulden kommen liessen, die gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen gerichtet sind.