821.421

Vollzugsverordnung
zum Bundesgesetz über die eidgenössische
Einigungsstelle zur Beilegung von
kollektiven Arbeitsstreitigkeiten

vom 2. September 1949 (Stand am 1. Januar 2013)

Der Schweizerische Bundesrat,

gestützt auf Artikel 7 Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 12. Februar 19491 über die eidgenössische Einigungsstelle zur Beilegung von kollektiven Arbeitsstreitigkeiten (im folgenden Gesetz genannt),

beschliesst:

I. Einsetzung und Organisation

Art. 1

1 Das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF)2 wird ermächtigt, zur Vermittlung in Kollektiv­strei­tigkeiten zwischen Arbeit­ge­bern und Arbeitnehmern über das Arbeits­verhältnis, die über die Grenzen eines Kan­tons hinausreichen, von Fall zu Fall eine eidgenössische Einigungsstelle (im folgenden Einigungs­stelle genannt) einzusetzen.

2 Die Einsetzung der Einigungsstelle erfolgt nur, sofern keine vertrag­liche paritäti­sche Einigungs- oder Schiedsstelle besteht, die Einsetzung einer Schiedsstelle nur, sofern keine vertragliche Schiedsstelle vorhan­den ist und wenn beide Parteien darum ersu­chen.

3 Eine Kollektivstreitigkeit, die über die Grenzen eines Kantons hinaus­reicht, liegt vor, wenn die vom Streit betroffenen Betriebe oder Zweig­betriebe in mehr als einem Kanton liegen.

2 Die Bezeichnung der Verwaltungseinheit wurde in Anwendung von Art. 16 Abs. 3 der Publikationsverordnung vom 17. Nov. 2004 (AS 2004 4937) auf den 1. Jan. 2013 angepasst. Die Anpassung wurde im ganzen Text vorgenommen.


Art. 2

Stellt sich im Verfahren vor der Einigungs- oder Schiedsstelle nach­träglich heraus, dass die Voraussetzungen für die Einsetzung nicht gegeben waren, so stellt die Eini­gungs- oder Schiedsstelle nach Fühlung­nahme mit dem WBF das Verfahren ein.

Art. 3

1 Die besondere Schiedsstelle gemäss Artikel 5 Absatz 2 des Gesetzes wird vom WBF von Fall zu Fall aus einem Obmann, zwei neu­tralen Beisitzern und aus je einem von den Streitparteien vorgeschlage­nen Beisitzer (Fachbeisitzer) zusammen­ge­setzt, sofern sich die Parteien nicht auf eine andere Zusammensetzung einigen.

2 Der Obmann der Einigungsstelle, der in gleicher Sache im Einigungs­verfahren tä­tig war, kann nur im Einverständnis mit beiden Parteien als Obmann oder neutraler Bei­sitzer der besonderen Schiedsstelle bezeich­net werden.

Art. 4

Das Sekretariat der Einigungs- oder Schiedsstelle wird vom Staats­sekretariat für Wirtschaft (SECO)3 besorgt, sofern nicht ein kantonales Eini­gungsamt ge­mäss Artikel 1 Absatz 2 des Gesetzes mit der Vermitt­lung der Kollektivstreitigkeit be­traut wird.

3 Ausdruck gemäss Art. 22 Abs. 1 Ziff. 7 der V vom 17. Nov. 1999, in Kraft seit 1. Juli 1999 (AS 2000 187). Diese Änd. ist im ganzen Erlass berücksichtigt.

Art. 5

1 Gesuche um Einsetzung der Einigungs- oder Schiedsstelle sind schriftlich an das SECO zu richten. Sie haben über das Vorhandensein der Voraussetzungen der Einigungs- oder Schiedsstelle sowie über den Streitgegenstand Auf­schluss zu geben.

2 Wird das Gesuch nur von einer Partei eingereicht, so gibt das Sekre­ta­riat der Ge­gen­partei unter Ansetzung einer kurzen Frist Gelegenheit zur Stellungnahme.

Art. 6

Der Bundesrat entscheidet über Einsprachen wegen Befangenheit der Mitglieder der Einigungs- oder Schiedsstelle, die Einigungs- oder Schieds­stelle über Einspra­chen wegen Befangenheit eines Sach­ver­stän­digen. Die Artikel 34–36 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 20054 sind sinngemäss anwendbar.5

4 SR 173.110

5 Fassung des zweiten Satzes gemäss Ziff. II 84 der V vom 8. Nov. 2006 über die Anpassung von Bundesratsverordnungen an die Totalrevision der Bundesrechtspflege, in Kraft seit 1. Jan. 2007 (AS 2006 4705).

Art. 7

Die Mitglieder und der Sekretär der Einigungs- oder Schiedsstelle sowie die Sachverständigen haben über die in Ausführung ihrer Oblie­genheiten gemachten Wahrnehmungen, die ihrer Natur nach als ver­traulich zu behandeln sind, Ver­schwie­genheit zu bewahren.

II. Einigungsverfahren

Art. 8

1 Erscheint eine Partei ohne genügende Entschuldigung nicht zu den Verhand­lungen, so kann die Einigungsstelle nach Anhörung der anwe­senden Partei und auf Grund der Akten trotzdem einen Vermittlungs­vorschlag aufstellen.

2 Ist die Aufstellung eines Vermittlungsvorschlages ohne Anhörung der Gegenpartei nicht möglich, so vertagt sich die Einigungsstelle für kurze Zeit.

Art. 9

1 Die Parteien haben persönlich zu erscheinen und dürfen sich nicht vertreten lassen; dagegen ist die Verbeiständung zulässig.

2 Der Obmann ist befugt, die Zahl der zur Verhandlung zuzulassenden Personen zu beschränken.

Art. 10

1 Über die Verhandlungen ist ein Protokoll zu führen.

2 Die Einsicht in das Protokoll sowie in die Akten ist den Parteien nur mit Genehmi­gung des Obmannes gestattet.

Art. 11

1 Kommt während der Verhandlungen eine direkte Verständigung unter den Parteien nicht zustande, so stellt die Einigungsstelle unter Aus­schluss der Parteien einen Ver­mittlungsvorschlag auf.

2 Die Mitglieder der Einigungsstelle sind zur Stimmabgabe verpflichtet. Die abso­lute Mehrheit der Stimmen entscheidet. Sind die Stimmen gleichgeteilt, so gibt die­jenige des Obmannes den Ausschlag. Der Sekretär hat beratende Stimme.

3 Der Vermittlungsvorschlag wird den Parteien schriftlich zugestellt unter Anset­zung einer Frist zur Abgabe einer schriftlichen Erklärung über dessen Annahme oder Ab­lehnung.

Art. 12

1 Die Verhandlungen sind nicht öffentlich.

2 Nach Abschluss des Verfahrens erstattet der Obmann dem WBF Bericht.

Art. 13

Die Bestimmungen des Gesetzes und dieser Verordnung über das Ver­fahren und die Friedenspflicht finden auch Anwendung, wenn gemäss Artikel 1 Absatz 2 des Ge­set­zes ein kantonales Einigungsamt mit der Vermittlung betraut wird.

III. Schiedsverfahren

Art. 14

1 Auf das Schiedsverfahren finden die Artikel 10, 11 Absatz 2, 12 und 13 sinnge­mäss Anwendung.

2 Der Schiedsspruch ist den Parteien schriftlich mitzuteilen und zu begründen.

IV. Schlussbestimmung

Art. 15

1 Diese Verordnung tritt am 1. Oktober 1949 in Kraft.

2 Mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung sind aufgehoben:

a.
der Bundesratsbeschluss vom 24. Mai 19406 über Massnahmen zur Beilegung von kollektiven Lohnstreitigkeiten;
b.
Artikel 116bis der Verordnung des Bundesrates vom 3. Oktober 19197 über den Vollzug des Bundesgesetzes betreffend die Arbeit in den Fabriken.

6 [AS 56 519]

7 [BS 8 26; AS 1952 839, 1966 86 Art. 91, 1969 569 Art. 82 Abs. 2]